Ihr viertes „Montagsstück“ hat die Bayerische Staatsoper in Großbuchstaben und mit voller Emphase betitelt: DIE WELT BEWEGEN – was der Musik ja im überschwänglichsten Fall zugeschrieben wird. Nüchtern bis gleichgültig heißt es schließlich allzu oft: „Geht doch auch so.“ Dass dem nicht so ist, demonstriert das Bayerische Staatsorchester unter Dirigent Krzysztof Urbański mit einem Programm voller romantischer Überwältigungsklänge, die ein wütendes Manifest für die Musik selbst sind.
Punkt 20.15 Uhr beginnt die Übertragung mit Blick vom Max-Joseph-Platz auf das erleuchtete Nationaltheater. Aus den Tiefen der Bühne schwenkt der Kamerablick in den Saal, der die Abwesenheit des Publikums in eisig-blauem Licht betrauert. Mit den heftigen Eingangstakten aus Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre gerät das Orchester in den Fokus. Dann Zoom auf den Dirigenten, der diese Musik zwischen wütendem Furor und schwelgender Hingabe gestisch wie mimisch vermittelt.
Nach einer Umbaupause betritt Thomas Hampson die Bretter, die vor Corona die Welt bedeuteten, und leiht seinen wunderbaren Bariton den furchtbar-verzweifelten, überirdisch-schönen „Kindertotenliedern“ Mahlers. Auch in der Internet-Übertragung hat er eine fast unheimliche Präsenz. Interpretatorisch überzeugt Hampson nicht nur mit einer außergewöhnlich artikulierten Aussprache, sondern vor allem mit seiner durchdachten Interpretation, die schwelgende Romantizismen mit den direkteren Tongebungen der Moderne koppelt – und damit Mahler sehr gerecht wird.
Gerade über Kopfhörer springt die fein differenzierte Abmischung der Tontechniker ins Ohr, die den Live-Eindruck vielleicht sogar noch übertrifft – und doch ein gesamtsinnliches Erlebnis nie ersetzen kann. Das gilt auch für Dvořáks siebte Symphonie. Nach den trauernden Eingangsstücken und im Kontext des Programms tönt sie wie ein hyperemphatischer Aufbruch und kämpferisch-hoffnungsvolles Fanal für die Überwindung der gegenwärtigen kulturellen Tristesse.
Aufzeichnung
unter staatsoper.tv.