Gleich im sehr ausführlichen Nachwort versucht Herausgeberin Anna Bers, allen Gifthaferln das Toxische abzumelken: „Gedicht“ und „Frau“ seien „zwei hochgradig umstrittene Komplexe“, und die träfen in diesem Wälzer aufeinander. Leserinnen und Lesern, die Lyrik lieben, ist die feministische Zitterpartie relativ wurscht. Hauptsache, sie haben Wiedererkennens- und Entdeckungsfreude bei der Lektüre. Und beide Genüsse bietet „Frauen | Lyrik. Gedichte in deutscher Sprache“ reichlich. Die Zeitspanne reicht vom neunten Jahrhundert mit dem Ersten Merseburger Zauberspruch, der wehrhafte Weiber in Szene setzt, bis zum 21. Jahrhundert, in dem Barbara Köhlers „Sie bewundern sie“ riesig auf einer Wand steht. Das Standardwerk lässt keine Wünsche offen – inklusive Gebet und Demo-Spruch. SIMONE DATTENBERGER
Anna Bers (Hrsg.):
„Frauen | Lyrik“. Reclam, 879 Seiten; 28 Euro.