„Ich habe Zeit gewonnen“

von Redaktion

Jonas Kaufmann über Singen unterm Christbaum und sein Corona-Jahr

Weihnachten wird dieses Jahr anders. „Für viele Menschen sicher auch einsamer“, sagt Startenor Jonas Kaufmann. Mit einer Auswahl seiner liebsten Weihnachtslieder kommt der 51-jährige Münchner an Heiligabend in die deutschen Wohnzimmer. Ein Repertoire aus Klassikern, die Kaufmann schon als Kind mit der Familie gesungen hat. Die Sendung, die das ZDF um 22.15 Uhr ausstrahlt, solle „wie eine warme Umarmung“ sein. Stimmungsvolle Kulisse des Konzerts, das ohne Publikum stattfinden muss, ist die Kirche St. Nikolaus von Oberndorf bei Salzburg. Dem Ort, an dem in der Christmette 1818 zum ersten Mal „Stille Nacht“ gesungen wurde. Einige Weihnachtslieder hat Kaufmann auch bei den „Montagsstücken“ der Bayerischen Staatsoper vorgetragen (siehe unten).

Von Michael Bublé bis Helene Fischer – kein Künstler, der nicht sein eigenes Weihnachtsalbum hat. Warum hat es bei Ihnen so lange gedauert?

Ich wurde tatsächlich immer wieder von Fans bekniet, eine Weihnachts-CD aufzunehmen. Aber es lag nicht nur am Mangel an Zeit, sondern auch daran, dass ich Schwierigkeiten hatte, eine Auswahl zu treffen. Es gibt einfach wahnsinnig viele schöne Lieder. Von den Klassikern aus dem Alpenland bis hin zu internationalen Songs, die ich durch meinen Vater kenne. Der war ein großer Bing-Crosby-Fan. Und an Weihnachten liefen seine Hits bei uns rauf und runter.

Viel von diesem großen Repertoire wird in Ihrer Sendung zu hören sein. Was bedeutet Ihnen Weihnachten persönlich?

Das ist für mich wirklich eine „heilige Zeit“. Als Künstler hat man ja im Advent und an Weihnachten normalerweise Hochsaison. Wir treten auf, wenn andere freihaben. Da ist der Spagat zwischen Beruf und Familie nicht immer leicht. Trotzdem habe ich mich in all den Jahren immer bemüht, diese Familienzeit zu schützen. Es gab eine rote Linie im Kalender, die vor Weihnachten gezogen und terminlich nicht überschritten wurde.

Wie kann man sich Heiligabend bei Ihnen vorstellen?

Hoffentlich ruhig und entspannt! Ich bin normalerweise derjenige, der fürs Essen verantwortlich ist. Und das nicht nur an Weihnachten. Einfach weil ich Kochen und Backen liebe. An Heiligabend aber stehen wir alle gemeinsam in der Küche, die bei uns mitten im Wohnzimmer ist. Jeder schnippelt und bereitet vor, damit wir dann ganz gemütlich etwas Schönes essen können. Bei Würstchen mit Kartoffelsalat würde vermutlich die ganze Familie streiken.

Ihr Lieblingsgebäck?

Vanillekipferl – und zwar solche, die schon fast zerfallen, bevor sie den Mund erreicht haben. (Seufzt.)

Sterneköche beklagen häufig, dass andere Leute ungern für sie kochen, weil sie fürchten, sich zu blamieren. Geht es Ihren Freunden und der Familie beim Singen unterm Christbaum mit Ihnen eigentlich genauso?

Nein! (Lacht laut.) Vor ein paar Jahren wurde meine Frau tatsächlich mal gefragt, wie sie es schafft, in meinem Beisein zu singen. Das hat sie verblüfft. Denn das eine hat mit dem anderen gar nichts zu tun. Ich kann vielleicht ein bisschen besser die Melodie finden, aber ich singe ja zu Hause nicht mit meiner Opernstimme. Wenn ich mit dem Organ, das ich für die Bühne brauche, meine Kinder in den Schlaf singen würde, würde keiner ein Auge zumachen…

2020 war ein ganz besonderes Jahr. Mit welchen Gefühlen blicken Sie zurück?

Mit gemischten Gefühlen. Natürlich wünscht man sich als Künstler, der seinen Beruf liebt, auftreten zu können, und hat schlaflose Nächte, wenn das nicht funktioniert. Ich habe aber auch etwas sehr Positives aus diesem Jahr gewonnen, nämlich Zeit. Zeit, die ich mir unter normalen Umständen so nicht genommen hätte. Das hat mir und hoffentlich auch meiner Familie sehr gutgetan. Unser Jüngster ist jetzt eineinhalb Jahre alt – der muss künftig erst noch lernen, dass nicht mehr alle zu Hause sein werden.

Das Gespräch führte Astrid Kistner.

Jonas Kaufmann:

„It’s Christmas“ (Sony).

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