Alles unter Kontrolle

von Redaktion

Zoë Becks Science-Fiction-Thriller „Paradise City“ über Deutschland als Überwachungsstaat

VON ULRIKE FRICK

Deutschland in der Zukunft: Frankfurt ist zur Hauptstadt und Megacity aufgestiegen. Für Berlin interessieren sich nur noch Touristen. Die Küsten stehen unter Wasser. Und bei 35 Grad Celsius freuen sich alle über den kühlen Tag. Politisch ist aus der Bundesrepublik ein Überwachungsstaat nach chinesischem Vorbild geworden: Jeder hat ein „Smartcase“ bei sich, das Daten und Vitalwerte sammelt, analysiert und weitergibt. Stets zum Besten der Bürger, versteht sich.

Liina arbeitet als Rechercheurin für die letzte nicht verstaatlichte Medienplattform. Ein Routineauftrag führt sie in die Uckermark. Bis ihr Chef und eine Kollegin sterben, ein weiterer Mitarbeiter verschwindet. Liina weiß, dass alle mit Recherchen zum selben Thema beschäftigt waren.

Schriftstellerin Zoë Beck zeichnet die Zukunft unseres Landes als von Algorithmen definierte Düsternis. Nüchtern wird aussortiert, wer nicht der Norm entspricht. Beck hat in ihrem Science-Fiction-Thriller originell weitergedacht, was die aktuellen technologischen Fortschritte unserer Gesellschaft bringen können, sobald ein Regulativ fehlt. Tatsächlich diskutieren wir engagiert über den Datenschutz. Wir werfen aber alles über den Haufen, sobald das Bonuspunkte-Programm der Fluglinie oder des Drogeriemarkts mit Geschenken lockt. Auch die Überforderung durch den immer schneller werdenden, digital geprägten Alltag scheint vertraut. Ebenso wie die fatale Sehnsucht mancher Menschen nach klaren Antworten und einfachen Lösungen. Beck verdeutlicht, dass ein behagliches Dasein in Ruhe und angemessenem Wohlstand nie umsonst zu haben ist, auch in der Zukunft nicht. Und dass Privilegien weniger immer auf Kosten vieler gehen. Freiheit, auch die der eigenen Meinung, ist ein wertvolles Gut, um das es sich zu kämpfen lohnt. Individualität, Pandemie, Klimawandel – in „Paradise City“ steckt eine Menge Nachdenkenswertes. Trotzdem liest sich der Thriller bis zum Showdown in Rostock schlüssig und spannend, nicht zuletzt dank der Genre-untypisch zahlreichen starken Frauenfiguren.

Zoë Beck:

„Paradise City“. Suhrkamp, Berlin, 281 Seiten; 16 Euro.

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