Märchen in Kaltfarben

von Redaktion

Die Internet-„Zauberflöte“ des Landestheaters Niederbayern

VON MARKUS THIEL

Schwarz geschminkte Monostatos-Tenöre? In Mozarts Dauerschlager mittlerweile tabu, aus guten Gründen. Fürs Anderssein des Sklaven lautet die Lösung des Landestheaters Niederbayern: Der Mann hat einen stilisierten Buckel. Doch nicht nur der dazugehörige Text wurde angepasst, auch im Finale wird plötzlich nicht mehr Osiris gedankt, sondern Amor. Sekunden später jubelt der Mini-Chor „Es siegte die Liebe“, während doch Librettist Emanuel Schikaneder, übrigens gebürtiger Straubinger, einst vom Triumph der Stärke dichtete.

Es ist eine etwas andere „Zauberflöte“, mit der das Städtebundtheater seit Weihnachten auf seiner Webseite aufwartet. Wie schon kürzlich „Madame Butterfly“ gibt es diese Produktion nur virtuell. Dieses Mal als abgefilmte Vorstellung aus dem schmucken Fürstbischöflichen Opernhaus Passau, in das sich die umherschweifende Kamera während der Ouvertüre zu verlieben scheint.

Am meisten überrascht (und das passiert mit den Pandemie-Fassungen in diesen Monaten verdächtig oft), wie die kleine Orchesterbesetzung funktioniert. Ein Streichquintett plus ein Bläser-Quintett plus Dirigent Basil H. Coleman am Hammerklavier, das ergibt ein freches kleines Klang-Kondensat von Mozarts Partitur. Auch weil Coleman hohe Umdrehungszahlen wählt, damit der Hörer sich gar nicht erst nach mehr Fülle sehnen kann. Musikalisch hat diese „Zauberflöte“ echten Vorstadtcharme – also genau das, worauf Mozart/Schikaneder zielten.

Regisseurin Christina Piegger und Iris Jedamski (Ausstattung) hätten das szenisch übersetzen können. Tun sie aber nicht. Es ist eine abgezirkelte, geometrische, asketische, oft in Kaltfarben leuchtende Welt, in der sie ihr Märchen erzählen. Und manchmal scheint es, als ob sich die Niedertemperatur auswirkt auf die Figuren mit ihren – auch Corona-bedingt – gebremsten Interaktionen.

Als Wärme- und Charmespender gibt es immerhin den Papageno von Peter Tilch, der wie ein munterer Gast aus anderen „Zauberflöten“ die Szene bestimmt. Dass alles Amor zu verdanken ist, macht Regisseurin Piegger augenfällig mit einer stummen beflügelten Tänzerin (Susanne Prasch). Anderes wie die Idee mit den drei Damen klappt weniger: Nur die mittlere gibt es singend auf der Bühne, sie ist im Kostüm siamesisch verschmolzen mit zwei Puppen. Wer den Zweistünder mit dem Nachwuchs anschaut, darf sich also auf die Frage gefasst machen: „Warum singen die anderen beiden nicht?“

Ansonsten hält man sich gern an Solisten wie Heeyun Choi mit seiner schönen, ausgereiften Bassstimme, der in Sarastros zweiter Arie sogar (und Partitur-widrig) bis zum tiefen E hinabsteigen darf. Oder an Ewelina Osowska, die als Königin der Nacht vorführt, wie man Kampfkoloraturen effektvoll einsetzt. Nils Sandberg bringt als Tamino ein paar gut kontrollierte Helden-Töne mit, das Fremdeln mit der Umgebung nimmt man ihm ab. Henrike Henoch drängt als Pamina zu vokal gewichtigeren Aufgaben.

Die Tonqualität der Aufzeichnung ist hervorragend, die kleine Bühne verbreitet Studio-Atmosphäre. Nicht nur, weil der Chor ins Off verbannt wird, gibt es ein paar Striche. Doch mal ehrlich: Sowohl für Erst- als auch für Altkonsumenten ist die Originallänge zu oft ein Härtetest.

Aufzeichnung

gratis mit Bitte um eine Spende unter www.landestheater-niederbayern.de.

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