Der große Visionär

von Redaktion

NACHRUF Trauer um den französischen Modedesigner Pierre Cardin, der mit 98 Jahren starb

VON SABINE GLAUBITZ

Pierre Cardin steckte seine Mannequins in Overalls aus Plastik und metallisch glänzendem Material und nannte die Kollektionen „Star Trek“ und „Cosmocorps“. Er entwarf Mode für die Masse, schneiderte Unterwäsche, die im Discounter vertrieben wurde, und vermarktete seinen Namen wie kein anderer. Nun ist der „größte Visionär der Mode“, wie der französische Couturier bezeichnet wurde, im Alter von 98 Jahren nahe Paris gestorben.

Mit seiner futuristischen Mode hatte Cardin so manchen vor den Kopf gestoßen. Dass man ihn in seiner Branche das „Enfant terrible“ nannte, hat ihn nie gestört. Er finde seine Ideen einfach überall, erklärte er seine grenzenlose Kreativität. Neben Paco Rabanne und André Courrèges galt er als Erfinder der futuristischen Mode. Cardin war den meisten seiner Kollegen weit voraus. Er war der erste Couturier (Modeschöpfer der Haute Couture), der eine Prêt-à-porter-Kollektion auf den Markt brachte. Er war der Erste seiner Branche, der seine Marke für unzählige Produkte hergab. Und früher als alle anderen streckte er seine Fühler nach der ehemaligen Sowjetunion und dem chinesischen Markt aus. Was Cardin auch zu einem der reichsten Männer Frankreichs machte. In über 70 Jahren erschuf er ein Imperium aus über 800 Fabriken und Lizenzen weltweit.

Der Designer wurde am 2.  Juli 1922 als Sohn eines französischen Weinhändlers in Italien geboren. Nach der Befreiung Frankreichs ging er Mitte der Vierzigerjahre nach Paris und begann als Modezeichner im Haus Paquin. Nur kurze Zeit später wechselte er zu Christian Dior, wo er 1947 bei der Kreation des legendären „New Look“ mitwirkte, der mit schmaler Taille und runden Schultern die Weiblichkeit betonte. Drei Jahre später gründete er sein eigenes Haute-Couture-Unternehmen.

Da Cardin nicht an die Wirtschaftlichkeit der extrem teuren Haute Couture glaubte, entwarf er kein Jahrzehnt später die erste Prêt-à-porter-Kollektion. Die Branche sprach von Rebellion. Doch unbeirrt setzte Pierre Cardin seinen Weg als Erneuerer fort und entwarf als erster großer Modemacher Linien für Männer. Bald schon stand er im Ruf, die besten Herrenanzüge und Kostüme von Paris herzustellen. Noch im hohen Alter steckte er seine Mannequins in futuristische Kleidung mit leichtem Beigeschmack von Retro. Doch Cardin war ein Arbeitstier, dem die Ideen nie ausgingen. „Wenn es Nacht ist, sehe ich Formen, Materialien, Farben. Ich wache auf, mache das Licht an, zeichne und schreibe.“

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