Diane Keaton selbst hält sich für eine bestenfalls mittelmäßige Schauspielerin. Und das ist keine Koketterie – sie sieht das wirklich so. Was sie freilich besser kann als jede andere Frau auf diesem Planeten: Diane Keaton zu sein. Ein Typ, eine Marke, und dies von Anfang an.
Woody Allen erkennt Ende der Sechzigerjahre ihr Talent, als er Keaton in seinem Theaterstück „Mach’s noch einmal, Sam“ sieht. Sie wird seine Hauptdarstellerin und Lebensgefährtin. Zwischendrin taucht sie auch in Dramen wie „Der Pate“ auf, aber ihre Stärke, das merkt Diane Keaton bald selbst, das sind Komödien. In ihnen kommt die Gabe, ihre Persönlichkeit auf der Leinwand zu entfalten, am besten zur Geltung.
Mit „Der Stadtneurotiker“ (im Original ist der Titel Keatons echter Name: Annie Hall) setzt Woody Allen seiner Partnerin 1977 ein filmisches Denkmal. Sie bekommt den Oscar und kreiert einen neuen Typus Kino-Frau. Smart, leicht verpeilt, unabhängig. Keatons Marotte, Männerklamotten zu tragen, löst eine Modewelle aus – sie ist ein Star und hat fortan ein schlechtes Gewissen. Keaton beteuert stets, dass sie nur davon profitiere, mit herausragenden Regisseuren arbeiten zu können. Ein merkwürdiger Widerspruch für eine Frau, die an sich viel Wert auf Selbstbestimmung legt. Sie kann diesen Zwiespalt nicht auflösen – auch ihre Lebensgefährten waren dominierende Figuren, neben Woody Allen zählten dazu Warren Beatty und Al Pacino.
„Man kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen oder das Rätsel der Liebe lösen. Aber versuchen sollte man es“, schreibt Keaton in ihren lesenswerten Memoiren. Deswegen berichtet sie unter anderem über die schmerzhafte und intensive Beziehung zu ihrem Bruder, der unter schweren psychischen Problemen und Alkoholsucht leidet. Für Keaton ist das offene Sprechen über die eigene Person die natürlichste Sache der Welt. Sie in Interviews in Verlegenheit zu bringen, ist daher ein Ding der Unmöglichkeit.
Längst hat sich die Kalifornierin emanzipiert von den Zwängen der Traumfabrik. Sie genießt, wenn es läuft, aber sie ist nicht mehr vom Erfolg abhängig. Wenn Keaton keine Filme dreht, kauft sie in ihrem Heimat-Bundesstaat alte Häuser auf, renoviert diese und verkauft sie mit Gewinn. Längst verdiene sie mit Immobilien mehr als mit Filmen, sagt Keaton gern – außerdem mache es mehr Spaß. Und: Nein, sie wisse auch nicht, wie das geht mit dem Altern in Würde. Das muss Diane Keaton in fast jedem Interview erklären, seit sie im dritten Karrierefrühling in schöner Regelmäßigkeit aufgeräumte Seniorinnen spielt, die das Leben in vollen Zügen genießen und altersweise über die Blödheit der Jüngeren hinweglächeln.
Wie man das hinbekommt, zumal als Frau im Filmgeschäft mit dem gnadenlosen Zwang zur ewigen Schönheit, das kann auch Keaton nicht sagen. Sie kommt selbst nicht furchtbar gut damit zurecht, alt zu sein. Weniger, dass sie leidet – aber sie findet es einfach unangenehm, nicht mehr jung zu sein. „Ich würde gern sagen, dass ich darüber stehe. Aber ich tue es nicht.“ An diesem Dienstag feiert Diane Keaton, dieses Unikum des Kinos, ihren 75. Geburtstag.