Warten auf den Frühling

von Redaktion

KULTURVORSCHAU Das Theaterjahr bringt zahlreiche Neustarts

VON MICHAEL SCHLEICHER

Es gibt Hoffnung, selbst in der Kulturszene, die durch die Corona-Politik an den Abgrund gedrängt wurde. „Das Münchner Volkstheater wird natürlich zu Ende gebaut und heuer eröffnet“, erklärte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung. Mehr noch: Der Neubau des Hauses an der Tumblingerstraße im Schlachthofviertel wird pünktlich fertig und bleibt im Kostenrahmen von 131 Millionen Euro. Im Frühjahr wird das Gebäude an Intendant Christian Stückl und sein Team übergeben, das dort ab Herbst, mit Beginn der Spielzeit 2021/22, Theater machen wird. Momentan ist geplant, dass sich der Vorhang am 15. Oktober zur Eröffnung hebt. Logisch also, dass die aktuelle Ausgabe des Hefts, mit dem das Haus über den Fortgang der Arbeiten am ehemaligen Viehhof informiert, mit „Richtig gut drauf“ überschrieben ist.

Überhaupt hat das Volkstheater, das bekanntermaßen in einer umgebauten Sporthalle am Stiglmaierplatz untergebracht ist, in der Pandemie vieles richtig gemacht. Im ersten Lockdown ging man in die vorgezogene Sommerpause – und startete bereits Ende Juli in die laufende Saison: unter freiem Himmel im Innenhof. Ob es heuer zu einer Neuauflage der Münchner Sommerspiele kommen wird, diskutiert die Mannschaft derzeit. Dabei gibt es eine weitere gute Nachricht: Das beim Publikum beliebte Regiefestival „Radikal jung“, das traditionell im April stattfand, wird wohl auf Anfang Juni verschoben. Es könnte das Finale des Volkstheaters an der Brienner Straße werden.

Wie der gesamte Kulturbetrieb hängen natürlich auch die Theater an der Entscheidung der Politik. Wer derzeit mit Verantwortlichen in den Häusern spricht, stößt auf Skepsis, dass bereits ab Februar wieder gespielt werden kann. Besonders hart trifft diese Unsicherheit etwa das Deutsche Theater, das als Gastspielbetrieb und damit ohne eigenes Ensemble „circa drei Monate im Voraus planen“ muss, wie Geschäftsführer Werner Steer erklärt. Für Januar und Februar hat das Haus alle Veranstaltungen bereits abgesagt; in wenigen Wochen trifft das wohl auch die knapp 20 Termine, die derzeit noch für März geplant sind. „Wir hoffen, dass wir ab April, Mai vorsichtig starten können – mit bis zu 200 Gästen“, sagt Steer. Als erste große Produktion steht am 16. Juni die Premiere von „Bodyguard“ auf dem Spielplan. Für 14. Oktober ist die verschobene Uraufführung des Musicals „Der Schuh des Manitu“ nach dem Film von Michael „Bully“ Herbig an der Schwanthalerstraße geplant. Was diesen Termin angeht, ist Steer besonders kämpferisch: „Da starten wir ganz sicher. Punkt. Aus.“

Den Neustart von Barbara Mundel in München hat die Pandemie sauber verhagelt: Die neue Intendantin der Münchner Kammerspiele eröffnete ihre erste Spielzeit als Chefin der städtischen Bühne am 8. Oktober. Kaum vier Wochen später musste sie wieder zusperren. Alle Premieren bis Ende Januar wurden verschoben – die neuen Termine sind noch offen. Im Vergleich zu anderen Häusern sind die Kammerspiele zurückhaltend bei ihren Netzaktivitäten. Von der Inszenierung „The Assembly“ gibt es eine digitale Version mit anschließender Publikumsdiskussion; nächste Vorführungen sind am 14. und 26. Januar. Zum 100. Geburtstag des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt (1921-1990) wurde zusammen mit dem Literaturhaus die Online-Lesung „Ich habe ins Blaue geschossen und ins Schwarze getroffen“ erarbeitet, die am 13. Januar zu sehen sein wird.

„Wir sind vorbereitet“ heißt es beim Bayerischen Staatsschauspiel. Derzeit werden fünf neue Produktionen geprobt. „Sobald wir wissen, wann wir spielen dürfen, werden sie nach und nach herauskommen“, sagt die stellvertretende Intendantin Ingrid Trobitz. Ziel sei es, möglichst alle Premieren auf die Bühne zu bringen, die für diese zweite Spielzeit von Intendant Andreas Beck geplant waren. Entsprechend fiele dann die Zahl der Neuproduktionen für die Saison 2021/22 geringer aus. Sollte es zunächst nur erlaubt sein, vor maximal 50 Menschen zu spielen, wolle man lediglich den Marstall öffnen, erklärt Trobitz. Das Residenztheater soll wieder aufgesperrt werden, sobald mindestens 200 Theaterfans zuschauen dürfen.

Beibehalten will das Haus, eine Online-Premiere pro Monat herauszubringen. So haben etwa gestern im Marstall die Proben zum Monolog „Niemand wartet auf dich“ von Lot Vekemans begonnen, den Juliane Köhler interpretieren wird. Die Produktion, eine deutsche Erstaufführung, entsteht (zunächst) fürs Internet – Premiere ist Ende Januar. Bereits nächsten Freitag, 19 Uhr, wird der Film zu „Borderline“ erstmals gezeigt. Jürgen Bergers „Dokufiktion“ dreht sich um das Thema „Grenzen“ und wurde am Tag der Deutschen Einheit im Marstall uraufgeführt. Der Clou: Die südkoreanischen Schauspieler waren per Video auf die Bühne zugeschaltet. Die Szenen aus Korea und München wurden nun zu einem Film geschnitten und untertitelt.

Für Bayerns Theaterfans wird heuer der 17. Februar eine nicht unwichtige Rolle spielen. An Aschermittwoch ergeht der Haar- und Barterlass für die Mitwirkenden der Passion in Oberammergau. Wie berichtet, hat das Team um Christian Stückl das weltberühmte Spiel, das im vergangenen Mai hätte Premiere feiern sollen, um zwei Jahre verschoben. Nun sind rund 100 Vorstellungen im kommenden Jahr von 14. Mai bis 2. Oktober geplant; etwa 450 000 Menschen aus aller Welt werden erwartet. Bereits jetzt sind 60 Prozent der Karten verkauft. Auch das ist ein Zeichen der Hoffnung.

Artikel 2 von 2