Krach um Chemnitz: Jetzt schaltet sich das EU-Parlament in den Streit um die soeben nominierte Europäische Kulturhauptstadt 2025 ein. Wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft verlangt die CSU Aufklärung von der EU-Kommission. In einem gesalzenen Schreiben an die bulgarische EU-Kommissarin Mariya Gabriel, zuständig für Kultur, moniert der Abgeordnete Markus Ferber „ein fragwürdiges Netzwerk“, „Missstände im Kontrollprozedere“ – und deutet an, Kommissionsbeamte seien darin womöglich verwickelt. Der Brief liegt unserer Zeitung vor.
Die sächsische Stadt hatte sich im Oktober in der letzten Runde unter anderem gegen Hannover und – was die Bayern arg schmerzt – Nürnberg durchgesetzt. Deutschland ist turnusgemäß an der Reihe, ausschlaggebend für den Ort war die Empfehlung einer europäischen Auswahljury. Diese Jury ist durch Medien-Recherchen in Verruf gekommen. Ein Netzwerk an Experten und Managern steuere die lukrative Wahl. Das erinnere an „Machenschaften in Organisationen wie IOC oder Fifa“, urteilte die „SZ“. Über Geldflüsse und groteske Interessenkonflikte – Berater unterstützen mühelos mehrere Kandidatenstädte – werde hinweggesehen.
Es geht bei dem Kulturhauptstadt-Titel um rote Teppiche, Ruhm, aber auch um zweistellige Förder-Millionen sowie die Hoffnung auf Touristenströme; all das ist für die Ex-Industriestadt nicht selbstverständlich. Nach den Vorwürfen hatten die deutschen Kulturminister, federführend CSU-Mann Bernd Sibler aus Bayern, gezögert, die Chemnitz-Entscheidung zu billigen. Am Montag gaben sie nach. Die Freude, nach West-Berlin (1988), Weimar (1999) und Essen (2010) mit Chemnitz wieder mal ein gesamtdeutsches Zeichen setzen zu können, überwog die Zweifel.
Der EU-Abgeordnete Ferber tritt nun in Brüssel nach. Der Titel werde aus Steuergeld bezahlt, sagte er unserer Zeitung. Wundersamerweise wolle niemand hier aufklären. „Diese delegierte Verantwortungslosigkeit“ müsse enden. Seiner konservativen Parteifreundin Gabriel gibt er mit, die „liebe Mariya“ möge die Prozesse verbessern; eine Task Force solle die Missstände aufklären. Die Kulturhauptstadt müsse ein Mehrwert für die Bürger sein, „nicht für einen kleinen Kreis unlauter agierender Berater“. C. DEUTSCHLÄNDER