Schon die zweite leere Zeile sagt ja was aus: „Geboren am …“ Wer hier sein Geburtsdatum einsetzt, gibt die Richtung vor. Und eine Zeile weiter: „In …“ An dem und dem Tag begann die Reise, an dem und dem Ort – und wie geht sie weiter?
Das Schöne an dem Buch „Die Spuren Deines Lebens“ ist: Das hier ist kein abschließender Blick zurück, sondern, so betont der Untertitel, „Der Wegbegleiter zu Deiner Biografie“. Wir alle sind noch mittendrin in der Geschichte unseres Lebens.
Autor Stephan Gabriel kam auf die Idee zu einer solchen Anleitung zum Schreiben durch den Tod seines Vaters. Der hatte kurz zuvor seinen Lebensweg aufgeschrieben. „Jetzt – nach seinem Tod – wurde mir der hohe Wert bewusst, der mir durch diese Schriftstücke geschenkt wurde“, erzählt Gabriel. „Ich erfuhr zusätzliche Details aus dem Leben meines Vaters, die ich trotz meiner engen Bindung zu ihm nicht kannte. Berichte über Orte, Erlebnisse und Facetten seines Lebens, die nie zur Sprache kamen, gaben mir ein noch feineres Bild über seinen Lebensweg, seine Sichtweisen und Persönlichkeit.“ Genau das wünscht er auch anderen.
Wie ein Lotse möchte Gabriel die Schreiberinnen und Schreiber durch den Strom ihrer Erinnerung leiten. Dazu hat er ein paar Tipps parat. Beispielsweise, das Gedächtnis durch die passende Stimulation aus der Reserve zu locken. „Vielleicht gibt es ein Getränk, Fotos, Objekte oder Musik aus der Zeit, über die Sie gerade schreiben“, all das regt die Erinnerung an. Eine Zitronenlimonade auf den Tisch, ein bisschen in Mamas altem Backbuch geblättert – schon geht es los, das Kopfkino.
Da sitzt man in Gedanken plötzlich wieder als Achtjährige auf der Küchenarbeitsplatte, lässt die Beinchen baumeln und liest der Mutter aus einem Kinderbuch vor. Sehr holpernd zwar, doch die tut so, als würde sie’s nicht stören. Gibt nur ab und an kleine Aussprechtipps. Während sie Dr. Oetkers Marmorkuchen zaubert. Wie köstlich das Ausschlecken der Backschüssel, wie herrlich süß der rosarote Zuckerguss, den man am Ende gemeinsam über den Kuchen und versehentlich in so mancher Küchenecke verteilte; wie der geknackt hat beim Schnabulieren. Und wie dann der Papa immer das größte Stück…
So schnell geht es. Wer sich einmal einlässt auf eine Reise in die eigene Vergangenheit, legt gleich tausende Kilometer auf dem Lebenspfad zurück. Erst treibt es einen an die besonders schönen Orte. Die, an denen am Wegesrand eine glückliche Erinnerung neben der anderen liegt. Erster Schultag, erste Liebe, erster Kuss. Aber Gabriel bringt uns dazu, auch auf die schattigen Stellen zu schauen, auf Schicksalsschläge. Und weil irgendwann für jeden der Weg endet, gibt er einem zuletzt Gelegenheit, Abschiedsworte zu finden – „an ihre Liebsten“.
Spätestens hier, nach etlichen leeren Seiten, die man eingeladen war, mit Erinnerungen zu füllen, fallen einem Menschen ein, denen man eigentlich doch schon zu Lebzeiten noch etwas zu sagen hätte. Vielleicht greift man zum Stift und tut es einfach.
Das Schicksal baut so manchen Twist in die Lebensgeschichte. Am Ende aber, auch das macht dieses Buch klar, sind wir es, die mit unserer Sicht auf die Dinge das Genre bestimmen. Möglicherweise ist uns heute einfach mal wieder nach Komödie. Oder besser noch: Liebeskomödie! Leben. Aufschreiben.
Stephan Gabriel:
„Die Spuren Deines Lebens“. jbriels Verlag Ratingen, 564 S.; 29,95 Euro.