Die große Verführung

von Redaktion

Das Gärtnerplatztheater spielt Christoph Willibald Glucks Ballettmusik „Don Juan“

VON TOBIAS HELL

Der große Verführer Don Juan hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Dichter und Komponisten gleichermaßen inspiriert. Und so war es offenbar nur eine Frage der Zeit, bis sich auch das Gärtnerplatzorchester diesen Antihelden mit zweifelhaftem Lebenswandel für seine „Sinfonische Lyrik“ vornahm – allerdings weder mit Mozart noch mit Richard Strauss, dessen Tondichtung wohl auch ohne Pandemie die räumlichen Grenzen des Theaters sprengen würde.

Stattdessen war die Wahl für diesen Livestream auf die Ballettmusik von Christoph Willibald Gluck gefallen, die Chefdirigent Anthony Bramall mit straffen Tempi in historisch informiertem Klangbild servierte. Bestens unterstützt durch Barockexpertin Olga Watts am Cembalo.

Im Gegensatz zu den bisherigen Programmen dieser Konzertreihe ist Glucks Ballettmusik deutlich kleinteiliger aufgebaut als beispielsweise die zuletzt aufgeführten Werke von Schostakowitsch oder Tschaikowsky. Dadurch veränderte sich auch die Gewichtung von Musik und Texten. Sprecherin Jutta Speidel nahm schon vor den ersten Takten der einleitenden Sinfonia die abschließende Moral der Geschichte vorweg, ehe sie rückblickend durch die Opernfans bestens bekannte Handlung führte: mit Text-Schnipseln von Lorenzo Da Ponte, Molière, Tirso de Molina oder auch E. T. A. Hoffmann, die an dramaturgisch wichtigen Punkten als Erinnerungen an das Bühnengeschehen eingestreut wurden. Dies geschah mal mit poetischen Worten, mal auch nur mit kurzen Einwürfen wie etwa beim Duell mit dem Komtur, das in dieser Ballett-Version deutlich leichtfüßiger und weniger abgründig daherkommt als in Mozarts Opernfassung.

Glucks Partitur ist Theatermusik im wahrsten Sinne des Wortes, die zwischendurch auch ihre zweckdienlichen Momente hat. Ein Umstand, den Dirigent Bramall gar nicht erst zu leugnen versuchte und daher einige redundante Stellen einfach im Turbogang hinter sich brachte.

Umso intensiver war dagegen die spätere Höllenfahrt sowie die (nicht immer ganz ehrlich gemeinten) Liebesbekundungen. Etwa das Werben um Donna Elvira, das unter anderem einen Glanzmoment für Oboistin Marta Mizgala parat hielt. Sie sei hier stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen genannt, die es alle sichtlich genossen, endlich wieder einmal in größerer Runde musizieren zu können.

Die Aufzeichnung

ist online bis heute, 23 Uhr, unter www.gaertnerplatztheater.de kostenfrei abrufbar.

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