Charlotte Rampling umgibt eine faszinierende Aura, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Ihre markante Stimme zeugt von Erfahrung und Autorität. Ihr kühler Blick hat etwas Geheimnisvolles. Der große Luchino Visconti engagierte sie angeblich deshalb. „Es ist alles in deinen Augen“, soll der legendäre Regisseur geschwärmt haben. „The Look“ nannte es Dirk Bogarde, Ramplings Co-Star in dem italienischen Drama „Die Verdammten“. Das war vor rund 50 Jahren. Der „Look“ ist geblieben. Er ist immer noch das Markenzeichen der britischen Schauspielerin, die heute 75 Jahre alt wird.
Es war nicht das umstrittene Historiendrama „Die Verdammten“, das Rampling den internationalen Durchbruch als Darstellerin bescherte, sondern der Skandalfilm „Der Nachtportier“ von Liliana Cavani. Die Geschichte über die sexuelle, sadomasochistische und zerstörerische Beziehung zwischen einer Holocaust-Überlebenden (Rampling) und ihrem KZ-Wärter (wieder Bogarde) erhitzte 1974 die Gemüter. Und sie machte Rampling schlagartig bekannt. Kritiker zerrissen das Psychodrama, das in Italien zunächst verboten wurde. Erst mit Verzögerung wurde der Film vor Gericht zum Kunstwerk erklärt und freigegeben. In vielen Szenen bleibt sie stumm. Aber ihr Blick sagt mehr als viele Worte.
Geboren in Essex, aufgewachsen in Gibraltar, Frankreich und Spanien, machte sich Rampling im London der Swinging Sixties als Model einen Namen – und wurde zum Sexsymbol. Das brachte ihr kleine Film- und TV-Rollen in England ein. Eine Wasserski-Fahrerin in „Der gewisse Kniff“, eine Schützin in der Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ oder die hübsche Mitbewohnerin in „Georgy Girl“ – meist wurde sie wegen ihres Aussehens gecastet. In Italien suchte sie nach Rollen, die ihr mehr abverlangten, und wurde bei Visconti und Cavani fündig. Fortan war Rampling eine gefragte Darstellerin für vielschichtige und anspruchsvolle Figuren.
In den Achtzigerjahren drehte sie mit Woody Allen die Tragikomödie „Stardust Memories“, spielte in Sidney Lumets Drama „The Verdict“ mit und stand mit Mickey Rourke und Robert De Niro für Alan Parkers Psychothriller „Angel Heart“ vor der Kamera. In den Neunzigern zog sie sich zurück. Später berichtete sie von Depressionen.
Danach erlebte Ramplings Karriere einen zweiten Frühling, der anhält. Sie erhielt den Europäischen Filmpreis für „Swimming Pool“ (2003) und „45 Years“ (2015). In weit über 100 Produktionen wirkte sie mit und schreckte dabei nicht vor ungewöhnlichen Rollen zurück wie 1974 in „Zardoz“. Der bizarre Film mit Sean Connery genießt heute Kultstatus. „Es war ein echter Hippie-Film“, scherzte Rampling im „Times“-Interview. Bald ist sie im Science-Fiction-Epos „Dune“ zu sehen.
Die Grande Dame des Kinos überzeugt auch als Sängerin. Schon als Teenager war sie auf der Bühne. Zu Beginn des Jahrtausends veröffentlichte sie das Album „Comme une femme“. Vielen war ihr Talent spätestens seit einer Szene in „Der Nachtportier“ bekannt. Dort sang sie halb nackt und mit der Mütze eines Nazi-Offiziers auf dem Kopf Friedrich Hollaenders deutschen Schlager „Wenn ich mir was wünschen dürfte“.
Hätte Charlotte Rampling zu Beginn ihrer Karriere auf den Wunsch eines Agenten gehört, wäre niemand in den Genuss ihres „Looks“ gekommen. „Einer meiner ersten Agenten meinte, ich solle was mit meinen Schlupflidern machen“, erzählte Rampling dem „Tagesspiegel“. „Ich habe ihn gefeuert.“ Zum Glück.