Der Matrose des pannonischen Meers

von Redaktion

Djordje Balašević, der alle Menschen des Balkans begeisterte, ist mit 67 Jahren an der Folgen von Corona gestorben

VON ZORAN GOJIC

Den Schmerz über den Verlust von Djordje Balašević kann man außerhalb des ehemaligen Jugoslawien nur schwer vermitteln. Der mitunter etwas hilflos als „Bob Dylan des Balkans“ bezeichnete Balašević war nicht einfach nur ein berühmter Sänger: Er war eine Institution, eine der wenigen Lichtgestalten dieser Region. Mit seinen mal humoristischen, mal nachdenklichen Liedern schuf er ab 1976 Hymnen in Serie. Kein anderer Liedermacher war erfolgreicher – trotz oft subversiver Zeilen umschiffte er Ärger mit dem sozialistischen Regime durch poetische Verse, die ahnen ließen, was gemeint war.

Balašević war ohnehin kein Aufrührer. Pragmatisch empfand er den Vielvölkerstaat Jugoslawien als Möglichkeit, die blutigen Fehden zwischen den südslawischen Stämmen zu überwinden. Vom Star zum Helden wurde er in den Neunzigerjahren, als die jugoslawischen Bruderkriege ausbrachen. Der Serbe Balašević stellte sich offen gegen serbischen Nationalismus und überhaupt gegen die Kriegstreiberei, während sehr viele seiner serbischen, kroatischen und bosnischen Kollegen die Hysterie weiter anheizten, das war damals das bessere Geschäft. Balašević blieb integer, auch wenn er fortan nicht mehr im Radio gespielt wurde. Zeilen, in denen er sang, schuld am Krieg seien nicht alleine die Psychopathen an der Macht, sondern „wir alle, weil wir sie gewähren lassen“, waren nicht erwünscht. Nach dem Ende des Krieges war er 1998 der erste serbische Künstler, der wieder in Sarajevo auftrat. Ein Riesenpolitikum, weil Djordje Balašević und seine bosnischen Fans für die Dauer von zwei Konzerten die krankhafte patriotische Dauer-Erregung außer Kraft setzten.

Der verschmitzte „Matrose des pannonischen Meers“, der die Menschen seiner Heimat so zärtlich wie entlarvend beschrieben hat, ist nun mit nur 67 Jahren in seiner Heimatstadt Novi Sad an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. „Alles steht auf einmal still, nur das Leben zieht einfach weiter“ hat er 1996 in „Regrutska“ festgestellt. So ist das. Leider.

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