Der musikalische Trickkünstler

von Redaktion

INTERVIEW  Heute erscheint das neue Solo-Album von Toto-Gitarrist Steve Lukather

Steve Lukather ist natürlich vor allem bekannt als Gitarrist der Band Toto. Der vielseitige Instrumentalist ist aber auch als Studio- und Session-Musiker auf etwa 1000 Aufnahmen anderer Künstler zu hören – und bringt gelegentlich Solo-Alben heraus. Heute erscheint „I found the Sun again“ mit eigenen und fremden Kompositionen sowie einem Gastbeitrag von Ex-Beatle Ringo Starr. Die Platte bietet eine Mischung aus Bluesrock, Pop und jazzy Klängen bis hin zu progressiven Momenten. Wir sprachen mit dem 63-jährigen US-Amerikaner über Legenden im Musikgeschäft.

Die Bandbreite des Albums ist wieder einmal erstaunlich…

Na ja, ich habe dieses Album hauptsächlich für mich selbst aufgenommen. Es ist ja nicht so, dass ich eine Hitplatte mit Miley Cyrus machen wollte. In meinem Alter habe ich die Gelegenheit von der Plattenfirma bekommen, einfach loszulegen und das zu tun, was mir Spaß macht. Also habe ich ein paar gute Freunde zusammengerufen, und wir haben pro Tag einen Song aufgenommen. Nach acht Tagen war alles im Kasten.

Auch Ringo Starr ist vertreten, haben Sie den Song für ihn geschrieben?

Ja, dann hat er Schlagzeug darauf gespielt und meinte später (mit Ringo-Starr-Stimme): „Tu es auf dein Album.“ Er ist wirklich ein unglaublicher Typ. Wir haben uns beim Touren angefreundet. Ich spiele inzwischen seit neun Jahren bei ihm in der Band – länger als alle anderen.

Sie sagten mal, dass eine Tour mit Ringo Starr wie Camping mit Freunden und Musik sei.

Das ist wirklich wie Urlaub machen. Man ist unterwegs und hat Spaß mit einigen der besten Musiker. Mann, Ringo ist 80 und läuft 45 Minuten auf dem Trainingsgerät – er ist ein Alien.

Hatten Sie auch mit den anderen Beatles zu tun?

Mit Paul habe ich zweimal gearbeitet, mit George auch ein paar Mal. Wir hatten uns ein wenig angefreundet, dann wurde er niedergestochen, ging zurück nach England und starb kurz darauf an Krebs. Wenn ich zurückblicke, hatte ich schon ein ziemlich tolles Leben, konnte mit all diesen Legenden der Musikwelt arbeiten. Und mit vielen Freundschaft schließen.

Haben Sie je eine Kooperation nachträglich bedauert?

Ehrlich gesagt wussten wir in der Regel gar nicht, für welchen Musiker wir gebucht wurden. Es hieß nur, vom 12. bis zum 16. des Monats in der Hauptstadt zu sein, und uns für Tages- und Nachtsessions bereitzuhalten. Als man dann dort war, tauchte plötzlich Barbra Streisand auf. Und wir: Hey cool! Am nächsten Tag kam dann Alice Cooper, und dann ging es mit Aretha Franklin weiter. Man muss wirklich alles bereithalten können in der eigenen Trickkiste – egal was sie brauchten, ich konnte es liefern. Deshalb wurde ich ja auch so viel gebucht.

Geschieht es, dass Sie einen dieser vielen Songs hören und sich gar nicht mehr erinnern können, diesen Gitarrenpart gespielt zu haben?

Ja, sehr oft sogar. Dann denke ich: Warum klingt das jetzt so vertraut? Das kann mir etwa passieren, wenn ich mit meinen Kindern gerade im Einkaufszentrum bin und die Musik dort höre. Dann kommt es mir plötzlich: Klar, das war ich, der das gespielt hat. Und ich stehe in diesen Läden, muss lachen – und alle schauen mich komisch an.

Die Songs auf dem neuen Album wirken wie aus dem Moment entstanden. Scheint das nur so?

Nein, sie sind tatsächlich so entstanden. Keine Demos, keine Proben. Ich wusste, dass ich Leute kenne, die das können, und wollte sehen, ob sie es noch drauf haben. Das war kurz vor dem Lockdown. Danach wurde alles geschlossen. Es war bei den Aufnahmen wie eine Rückkehr zu alten Tugenden. Ich habe die Gitarrenparts alle aus dem Herzen heraus gespielt. Man merkt richtig, dass es abging ohne doppelten Boden. Und nach der Aufnahme war’s das. Bleibt so. Ich meine, es ist eigentlich kein Solo-Album. Es hat wirklich jeder in der Band dazu beigetragen.

Die Stücke kämen auch live ganz gut. Besteht denn die Gelegenheit, dass Sie auf Tour gehen?

Mal schauen, vielleicht kann ich sie auf einer Toto-Show einschleusen. (Lacht.)

Werden also die Leute auf der Solo-Platte auch die auf der Toto-Tour sein?

Ja, so ziemlich.

Mit Ringo Starr?

(Lacht.) Eher werde ich bei Ringo mitspielen. Im Moment ist aber alles in Warteposition. Bisher wurden die Auftritte noch nicht offiziell abgesagt, aber wer weiß, wie das mit der Impfkampagne jetzt so läuft. Und wann sich 50 000 Leute wieder trauen, sich zusammen in eine Arena oder Halle zu begeben. Wir wären natürlich sofort dabei. Ich will aber niemanden in meinem Umfeld gefährdet sehen. Ein Freund von mir in Deutschland ist an dieser Krankheit gestorben. Ich bin 63 und habe wohl eine Blutgruppe, die das Virus nicht so mag, aber darauf möchte ich mich lieber nicht verlassen. Wenn es mich doch erwischt, dann gebe ich es am Ende noch meinen Kindern weiter.

Bei dem Titel des Albums käme man auf die Idee, es handle sich um das Ende eines Tunnels wie der Pandemie, aber es geht eher um eine Liebesgeschichte, oder?

Ja, ich habe eine neue Liebe gefunden, die mich glücklich macht, aber auch das wird durch die momentane Situation immer auf die Probe gestellt. Wir versuchen, wie jeder in der Welt, das Beste daraus zu machen. Natürlich geht es mir besser als vielen anderen, weil ich mir keine Sorgen machen muss, woher die Miete nächsten Monat kommt. Ansonsten leide ich unter den gleichen Dingen. Meine Kinder stecken in Jersey fest, und ich kann sie nicht sehen. Wer weiß, was kommt. Vielleicht bleibe ich noch ein Jahr daheim und mache am Ende noch ein Album. (Lacht.)

Das Gespräch führte Antonio Seidemann.

Artikel 8 von 9