Natürlich lächeln viele spöttisch, als Wolfgang Petersen Mitte der Achtzigerjahre verkündet, fortan in Hollywood zu leben und zu arbeiten. Aber aus seiner Sicht ist das nur schlüssig. Deutschland, Heimat des „staatlich geförderten Nullfilms“, ist für den Regisseur endgültig zu klein geworden. Mit dem „Tatort: Reifezeugnis“ hat er 1977 Fernsehgeschichte geschrieben, mit seinem Kinofilm „Die Konsequenz“ im selben Jahr eine landesweite Debatte erregt, weil er darin reichlich unverblümt Homosexualität thematisiert hat. Das BR-Fernsehen sah sich in jenen Tagen nicht in der Lage, seinen Zuschauern so etwas zuzumuten.
Mit „Das Boot“ schließlich liefert Petersen den bis dahin international erfolgreichsten deutschen Kinofilm überhaupt und danach mit „Die unendliche Geschichte“ die mit rund 50 Millionen Mark teuerste Nachkriegsproduktion des Landes. Für Petersen, den versierten Handwerker mit großen Visionen, ist danach in Deutschland eben nicht mehr viel zu reißen.
Also Hollywood, wo der Norddeutsche tatsächlich durchstartet mit ambitioniertem Unterhaltungskino. Man schätzt in der Traumfabrik die Effizienz und Unaufgeregtheit von Petersen, der seit jeher eine Schwäche für Genre-Kino hat. Er dreht mit den größten Stars und hat die Produktionen beneidenswert gut im Griff. Clint Eastwood und John Malkovich in „In the Line of Fire“ (1993), Dustin Hoffman in „Outbreak“ (1995), Harrison Ford in „Air Force One“ (1997) und George Clooney in „Der Sturm“ (2000). Alles gewaltige Hits, die allein in den USA jeweils über 100 Millionen US-Dollar einspielen.
Aber Petersen hat trotz des Erfolgs zunehmend Schwierigkeiten, neue interessante Projekte zu finden. Denn der Trend zum Krawallkino mit Schwerpunkt auf Computereffekte liegt ihm nicht. Er mag Entertainment, aber eben mit glaubwürdigen Charakteren und schlüssigen Geschichten: Der Regisseur ist trotz seiner Affinität zu technischem Fortschritt im Kino ein im Grunde altmodischer Filmemacher, der in Erzählstruktur und Dramaturgie dem klassischen Hollywood verpflichtet ist. Das freilich interessiert auch in den USA die Filmstudios immer weniger – die sind längst in Händen globaler Investoren, die sich nicht wirklich für Kino interessieren. Geschäft war Film natürlich immer, aber die Entscheider waren früher auch leidenschaftliche Filmliebhaber.
Mit dem epischen „Troja“ feiert Petersen 2004, im Sog des Triumphs von „Gladiator“, noch einen Erfolg. Aber mit dem desaströsen Flop seiner Neuauflage des Katastrophenfilms „Poseidon“ (2006), seinem ersten echten Misserfolg, verabschiedet er sich aus Hollywood. „Ab und zu braucht man eben auf die Fresse“, kommentiert er nordisch klar und lebt nun doch wieder in Deutschland.
Nochmals einen „Tatort“ zu drehen, das könne er sich vorstellen. Aber auch ohne lebt er als zufriedener Privatier. Er hat es allen gezeigt, eine solche Karriere hat kein anderer seiner Landsleute hingelegt – abgesehen von Roland Emmerich. An diesem Sonntag feiert Petersen seinen 80. Geburtstag – und ist mit sich im Reinen.