Rossini als Stummfilm

von Redaktion

Marcus H. Rosenmüller inszeniert für die Bayerische Staatsoper „Il Signor Bruschino“

Eine gewisse Musikalität ließ sich bereits in seinen ersten Arbeiten erkennen: Das Operettenhafte im Kurzfilm „Nur Schreiner machen Frauen glücklich“ beispielsweise, der clevere Einsatz von Musik in „Wer früher stirbt, ist länger tot“ oder „Sommer der Gaukler“. Nicht zu vergessen die Inszenierung der Nockherberg-Singspiele von 2013 bis 2017. Vor sechs Jahren brachte er außerdem für die Bayerische Staatsoper bereits Gioachino Rossinis „Le Comte Ory“ auf die Bühne des Opernstudios, mit Bowlingbahn und Neonbeleuchtung. So fachfremd, wie er behauptet, ist Marcus H. Rosenmüller also keineswegs. Außerdem seit einigen Jahren bekennender Rossini-Fan. Gute Voraussetzungen für die Umsetzung eines weiteren Rossini an der Staatsoper. Am Montag hat „Il Signor Bruschino“ Premiere, von Rosenmüller für den Livestream von staatsoper.tv inszeniert.

Was gefällt Ihnen an Rossini so gut?

Vor sechs Jahren, als ich „Le Comte Ory“ inszenieren durfte, habe ich Rossinis Musik überhaupt erst genauer kennengelernt. Und war sofort begeistert. Der Schwung, die Freundlichkeit und das Lebensfrohe – das hat mich sofort angesprochen. Diese grundsätzliche Lust am Sein und das Humorvolle in allen seinen Figuren, das ist etwas, was ich hoffentlich in meinen Filmen ähnlich vermitteln kann. Während der Proben damals bin ich regelrecht abgetaucht in diese Welt und habe seit der Zeit immer einen speziellen Zugang dazu. Trotzdem bin ich natürlich nach wie vor als Opernregisseur blutiger Anfänger.

„Il Signor Bruschino“ wird per Livestream übertragen.

Das hat mich diesmal am Projekt besonders gereizt. Wann hat man das schon einmal, dass man sich einer Oper auch ein wenig filmisch nähern und mit filmischen Mitteln arbeiten kann? Ich habe die Auswahl der Kameragrößen, ich kann nah ran, ich kann Bewegung zeigen. Da hat’s mich sofort gejuckt, das zu machen. Auch wenn die Zeit, die zur Verfügung stand, extrem knapp bemessen ist. Aber es funktioniert gut. (Lacht.)

Wie lange können Sie denn proben?

Ich glaube, ich hatte vor drei Wochen die Anfrage, ob ich das machen will. Daher bleibt jetzt sozusagen eine Woche für die Proben.

Setzt ein derart knapper Zeitplan nicht wahnsinnig unter Druck?

Ach, das ist einfach Teil der Herausforderung. Man muss eben immer schnell entscheiden und sofort Nägel mit Köpfen machen. Da entsteht vermutlich mehr aus dem Bauch heraus als bei einer langwierigen Planung. Das sorgt andererseits aber auch für eine ganz eigene Ästhetik und Atmosphäre. Mir gefällt das immer, mit anderen Leuten kreativ zu arbeiten und das schnell umzusetzen. Beim Film ist das öfter notwendig. Man kann ein schönes Konzept aufstellen, aber dann passiert etwas Unvor- hergesehenes und alles muss neu geplant werden. Mich stört das nicht. Ich mag einfach die Abwechslung. Ich drehe ja auch mal eine Dokumentation zwischen Spielfilmen. Daher finde ich das schön, dass ich jetzt diese Anfrage erhalten habe und dadurch einen zweiten Einblick in die Opernarbeit bekomme.

Die Geschichte zweier junger Liebender, deren Väter jeweils gegen die Verbindung sind, ist eher schlicht…

Vom Plot her ist „Il Signor Bruschino“ ein klassisches Volkstheater-Stück. Bevor ich’s gelesen hatte, dachte ich noch: Was soll mir denn da einfallen? Aber als ich das Libretto dann kannte, war ich doch von der Frechheit begeistert und musste über die Anarchie im Stück sehr lachen. Auch dass der Zufall in der Dramaturgie so offensichtlich ist, das macht ja schon wieder richtig Spaß.

Was steht bei Ihrer Inszenierung im Mittelpunkt?

In einer Arie singt Gaudenzio, der Vater des Mündels, das vermählt werden soll, übers Weltentheater. Das wurde schnell mein Ansatzpunkt und mein Zugang zur gesamten Oper, weil es irgendwie in allem steckt: Dieses Verkleiden oder andere Rollen annehmen oder auch der fehlende Mut, aus seiner Rolle endlich einmal auszubrechen – obwohl man immer die Sehnsucht hat, jemand anderes zu sein. Dieser Gedanke vom Theater im Leben gibt der  auf den ersten Blick einfachen Volkstheater-Verwechslungskomödie eine zweite Facette und bestimmt jetzt das Bühnenbild und alles Weitere.

Wie sieht Ihre Bühne aus?

Die Oper ist im Grunde klassisches Bauerntheater. Mit einem bestimmten Pathos und einer bestimmten Direktheit verbunden. So war eben die Zeit der Commedia dell’Arte. Ich bin nun aber auch Filmmensch. Daher kamen wir auf die Idee, alles als Stummfilm zu inszenieren. Als ich dann noch gelesen habe, dass in dem Opernhaus, in dem „Il Signor Bruschino“ uraufgeführt wurde, die Gebrüder Lumière ihre Filme gezeigt hatten, stand es fest: Wir übersetzen die Handlung in die Stummfilmzeit. Und mit den Mitteln des Stummfilms, des Symbolismus, des Expressionismus, der Klamotten der Zwanzigerjahre arbeiten wir jetzt auf allen Ebenen.

Digitale Opern- oder Theateraufführungen werden schnell langweilig, wenn nur die Bühne abgefilmt wird.

Ja, darum versuchen wir es nun einmal ausnahmsweise ein wenig anders. Ob es hinhaut, steht natürlich in den Sternen! Aber es zu versuchen macht schon mal viel Spaß!

Das Gespräch führte Ulrike Frick.

Premiere

am kommenden Montag, 22. März, ab 20.15 Uhr im Internet unter

staatsoper.tv.

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