Freund und Netzwerker

von Redaktion

Die sanierte Glyptothek öffnet mit einer Schau über Thorvaldsen und Ludwig I.

VON SIMONE DATTENBERGER

Endlich in die Glyptothek! Es gab sogar hier in unserer Zeitung Anrufe von Verzweifelten, die dringendst in das geliebte Haus am Münchner Königsplatz wollten. Wir hatten im Januar über die abgeschlossene Sanierung (zwei Jahre, 17 Millionen Euro) berichtet – und den wundervoll strahlenden Auftritt der „neuen“ Glyptothek. Nun soll das Gebäude – einige Teile der Fassade müssen noch hergerichtet werden – ab morgen für jeden zugänglich sein. Das Publikum kann nicht nur alte Freundinnen wie Athene und ihre Ägineten sowie Freunde wie den Barberinischen Faun und knorrige Römer wiedertreffen. Auch ein jüngerer Freund wird mit einer Sonderausstellung in den Mittelpunkt gerückt: „Bertel Thorvaldsen und Ludwig I. – Der dänische Bildhauer in bayerischem Auftrag“.

Zu dieser Künstler-König-Beziehung passt das Deutsch-Dänische kulturelle Freundschaftsjahr. Wegen ihm eröffnen heute Abend Dänemarks Botschafterin Susanne Hyldelund, Kunstminister und Schirmherr Bernd Sibler sowie Museumschef Florian Knauß die Schau. Mit ihm durfte unsere Zeitung schon vorher die Präsentation, die im Nordflügel untergebracht ist, besuchen. Dort sind die berühmten Giebelgruppen der Ägineten (Aphaia-Tempel auf der Insel Ägina) untergebracht.

Keine Sorge, sie sind nicht weggeräumt. Im Gegenteil, denn sie sind ein besonderer Aspekt in der ästhetischen Entwicklung des dänischen Bildhauers (1770-1844). Längst war er ein gefragter Künstler mit sagenhafter Erfolgsgeschichte sogar in Rom, als ihn der Bayer Ludwig (1786-1868) zum Archäologen machte. Der Wittelsbacher wollte  Ergänzungen für all die Torsi, Fragmente, die Kopf- oder Armlosen. Knauß ist begeistert davon, wie sich Thorvaldsen in den für ihn noch fremden Stil der  griechischen Archaik und Frühklassik der Ägineten einfühlen konnte. In der Präsentation sind Köpfe und Körper nebeneinander zu sehen – eine Unterscheidung ist fast nicht möglich. Natürlich wird auch die „falsche“ Rekonstruktion der Ägineten thematisiert.  Und  jeder darf über den „Maikäfer“ lächeln: einen mit dem Rücken auf seinen Schild gestürzten Krieger. Seine Position sei eine der Fehlinterpretationen bestimmter Indizien der damaligen Forscher, wie Knauß erklärt. Er nimmt sie in Schutz, besonders Bertel Thorvaldsen („tiefes Verständnis“), zumal man ja damals Neuland betreten hatte.

Bevor Besucherinnen und Besucher den Spezialisten Thorvaldsen antreffen, begegnen sie seiner Künstlerpersönlichkeit. Das Kuratorenteam Knauß und Astrid Fendt setzten hier den Freund und Netzwerker ins Zentrum. „Sehr gesellig“, nennt ihn Knauß. Büsten sowie Gemälde von ihm und anderen zeigen seinen Kreis und lustiges Bohèmeleben in Rom und München. Für Bayern/München war wichtig, dass Thorvaldsen hier seine Schüler etablieren konnte. Man beschenkte sich außerdem gegenseitig, sodass unter anderem ein Stieler-Porträt von Kronprinz Ludwig (1833) nach Kopenhagen ins Thorvaldsen Museum gelangte.

Nicht nur daraus blickt uns der kunstnarrische Wittelsbacher an, er steht auch Modell, und zwar für die Frage: Wie macht man eigentlich eine Marmorbüste? Sitzt der Abkonterfeite monatelang dem Meister, bis der die Züge aus dem Stein gemeißelt hat? Eben nicht. Wie sich die Bildhauer halfen, erklärt die Glyptothek vom Tonmodell bis zur fertigen Ludwig-Büste (1821) in mehreren Schritten inklusive der unverzichtbaren Punktiermaschine.

Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Unternehmer Thorvaldsen in Rom. Nach zähen Anfängen kam mit seiner „Jason“-Statue der Durchbruch. Sie wurde übrigens nach Auftrag und Bezahlung erst 25 Jahre später fertig. Trotz Auftragsflut bekam Kronprinz Ludwig seinen „Adonis“ (1808/32). Obwohl dieser Venus-Liebhaber jetzt als Leihgabe der Neuen Pinakothek in der Glyptothek steht, fühlt er sich dort heimisch. Denn zu Ludwigs Zeiten befanden sich in dem Museum Werke von mesopotamischer Zeit bis in die Gegenwart. Im „Saal der Neuen“ stand neben Canovas „Paris“ Thorvaldsens „Adonis“.

In Rom betrieben Thorvaldsen und seine Mitarbeiter bis zu drei Werkstätten, die zugleich „Showrooms“ waren. Ein Gemälde schildert anschaulich die Monumentalität der Figuren und den Besuch des Papstes Leo XII. im Atelier, der von Thorvaldsen, dem Protestanten (!), herumgeführt wird; dahinter ein riesiges Papstgrabmal. Was aber wirklich Geld einbrachte, so Knauß, waren Porträts. Deswegen ist ein Saal voll mit Büsten von Bertel Thorvaldsen und deren antiken Vorbildern. Bei den alten Römern schaute er sich sozusagen Verismo ab: Rokoko-Glätte weg, Furchen und Stirnwulst her. Die Glyptothek kann aus ihrer wunderbaren Fülle an antiken Porträts perfekte Pendantstücke aufbieten. Sogar zu der grotesk-propagandistischen Napoleon-Büste.

26. März bis 25. Juli,

Di.-So. 10-17, Do. bis 20 Uhr; Zeitfenster-Karten nur online über München Ticket oder bei dessen Vorverkaufsstellen; Katalog: 29,90 Euro.

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