So einiges auf den Kopf gestellt hatte man beim BR-Symphonieorchester anlässlich seines jüngsten Konzerts im Münchner Herkulessaal. Und dabei ist ausnahmsweise einmal nicht von leeren Zuschauerreihen und Sicherheitsabständen auf dem Podium die Rede. Vielmehr hatte sich Mirga Gražinyte-Tyla (Foto: Astrid Ackermann) bei ihrem Debüt am Pult des Symphonieorchesters gegen die eingefahrene Konzertdramaturgie mit Ouvertüre, Solokonzert und Symphonie entschieden und Ludwig van Beethovens effektvoll polternde „Leonore 3“ ans Ende des Abends gestellt. Quasi als vorausgeahnte Zugabe, die sich das Publikum von der litauischen Dirigentin unter normalen Bedingungen zweifellos enthusiastisch erklatscht hätte. Ungewöhnlich aber auch zuvor bereits die Aufstellung bei Mozarts Klavierkonzert KV 595, bei dem Gražinyte-Tyla, nun postiert in der Mitte des Orchesters – mit Blickrichtung in den Saal – stets Augenkontakt mit ihrem Solisten Francesco Piemontesi hielt. Nicht, dass eine solche Kontrolle nötig gewesen wäre. Denn beide pflegten von sich aus einen federnden Mozart-Stil mit luftig transparentem Klangideal. Dies war im Dialog zwischen Flügel und Orchester ebenso spürbar wie bei Piemontesis feingliedrig ausgestalteten Solo-Kadenzen.
Höhepunkt des Programms blieb dennoch die gleich zum Auftakt gebotene Symphonie Nr. 2 aus der Feder von Mieczyslaw Weinberg. Ein Komponist, der in München durch die unablässige Missionstätigkeit des Jewish Chamber Orchestra längst kein Unbekannter mehr ist und in Mirga Gražinyte-Tyla nun eine ähnlich leidenschaftliche Fürsprecherin fand. Von großer Sogwirkung gleich der kammermusikalisch gearbeitete Kopfsatz, dessen solistische Einwürfe meist homogen aus dem weich dahinwogenden Streicherteppich entwickelt und im Stream von zahlreichen Nahaufnahmen eingefangen wurden. Dass das Adagio nicht ganz so geschmeidig endete, wie es begonnen hatte, war da nur ein kleiner Schönheitsfehler. Zumal der folgende dritte Satz mit umso größerer Intensität anhob, die bis zum sanft ausklingenden Finale nicht mehr abreißen wollte.