Tanz – politisch und unterhaltsam

von Redaktion

Moritz Ostruschnjaks Choreografie „Yester:Now“ ist zumindest als Film uraufgeführt worden

VON MALVE GRADINGER

Es ist die Protestaktion des Jahres, die nun gestreamte Uraufführung von Moritz Ostruschnjaks „Yester:Now“ (Video: Moritz Stumm) – absurd und realistisch treffend in einem. Statt aufgebrachter bewegter Masse lediglich sechs Menschlein in Streetdance-Kluft, moderat aktiv in der riesigen Philharmonie des Münchner Gasteigs – ohne Publikum. Der Raum droht sie zu verschlucken. Aber drahtig-zäh tanzen sie gegen diese öde Leere an – als Kampf-Metapher für die downgelockte Tanzszene, wie für das runtergefahrene Leben schlechthin.

Bisher hat Ostruschnjak hierorts eher für kleine Bühnen choreografiert, immer kompakt und spannungsvoll. Die Philharmonie war jetzt sein „Corona-Wagnis“. Wie schmächtige Schatten kommen die Tänzerinnen und Tänzer von den Rängen herab auf die kahle Bühne, schlittern und tänzeln ein Solo oder ein Duett hin, versammeln sich auch zum Sextett. Breakdance mischt sich mit angedeuteten Ballett- und Tapdance-Schritten, Rapper-Arm-Choreo mit gummigelenkigen Bodenfiguren. Dazu hat Jonas Friedlich zusammengeschnitten: Seelenstreichler Marke Elvis Presley, fesch getaktete Musical-Hits, rasselnde Maschinengeräusche, unverständliche Stimmen aus öffentlichen Versammlungen und mehr.

„Cut & Paste“ ist explizit das Motto. Comicfiguren flackern über einen rückwärtigen Bildschirm, später auch prominente Köpfe aus Geschichte, Politik und Kultur. Die Botschaft ist offensichtlich: Unser Alltag ist haargenau so mit Info-Übermaß zugemüllt. Als roter Faden schiebt sich zwischen die Dramaturgie des „Pick & Mix“ das bis in die Sitzreihen hineinchoreografierte Aufmarschieren mit Demo-Schildern. Darauf Parolen wie „Follow the Leader“, „Don’t do Evil“, „Hunger“, „Freiheit“, dazu Bildzeichen wie die Guy-Fawkes-Maske, die „Cloud“ oder das An- und Ausschaltzeichen an E-Geräten. Alles kunterbunt gemischt. Es ist am Betrachter herauszuspüren, wie unsere hochkomplizierte Welt auf Schlagwörter reduziert und so gefährlich vereinfacht wird.

Stream

bis 31. März auf https://dringeblieben.de/videos/yesternow zu 7,50 Euro, ermäßigt 3 Euro, Unterstützerpreis 15 Euro; für Ende Juli ist eine Live-Aufführung im Gasteig plant.

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