Unbändiges Gefühl der Hoffnung

von Redaktion

Heißer Anwärter auf das Album des Jahres: „We are“ von Jon Batiste

VON CHRISTOPH ULRICH

Das zurückliegende Jahr war für alle turbulent. Vor allem aber für Musiker und Kreative – umso mehr noch, wenn sie aus den USA stammen und schwarz sind. Jon Batiste begegnete den Herausforderungen genau so, wie er sich für die Bewegung Black Lives matter und im US-Wahlkampf einsetzte: mit bewundernswertem, ansteckendem Optimismus. Im Mai 2020 trat der musikalische Leiter von Stephen Colberts „Late Show“ mit einer kleinen, sehr fein besetzten Band im Format „Tiny Desk Concerts“ des Rundfunk-Syndikats NPR auf. Mit vier neuen Songs, die so gar nichts zu tun hatten mit seinen bisherigen, stark vom traditionellen Jazz geprägten Platten, schickten er und Bassistin Endea Owens, Schlagzeugerin Sarah Thawer, Perkussionistin Negah Santos und Gitarristin Celisse Henderson einen Sonnenschein in den aufkommenden Lockdown-Verdruss. Das kleine Konzert war der Vorbote für ein erfolgreiches Album.

Die Veröffentlichung verschob sich durch die Pandemie und Batistes Musik für den für den Oscar nominierten und mit dem Golden Globe ausgezeichneten Animationsfilms „Soul“. Nun ist „We are“ erschienen und überrascht mit einer ungewöhnlichen Zueignung auf dem Cover: „Gewidmet den Träumern, Sehern, Griots und Wahrheitsverkündern, die sich weigern, uns völlig in den Wahnsinn abgleiten zu lassen“. Als Griot bezeichnet man in Nordafrika fahrende Sänger und Spaßmacher, die die mündlich überlieferte Tradition pflegen. Man sagt ihnen übernatürliche Fähigkeiten nach. Demnach ist Batiste (Foto: Neil Grabowsky) selbst ein Griot, zu dessen übernatürlichen Kräften gehört, dass er komplexe Musik einfach, mitreißend und eingängig wirken lässt und durch sie ein unbändiges Gefühl der Hoffnung hervorruft. Das ist ein vom klassischen Jazz geprägter, aber um Nuancen aus New Orleans’ reichhaltigem musikalischen Erbe erweiterter Mix. Beseelt von Einflüssen aus Soul, Gospel und R&B und veredelt durch Elemente aus Hip Hop, Funk und Rock, vereint er auch moderne Spielarten schwarzer Musik. Ein heißer Anwärter für den Titel „Album des Jahres“.

Jon Batiste:

„We are“ (Verve Records).

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