Es kann wirklich schlimm ausgehen, wenn Popmusiker sich von aktuellen Ereignissen inspirieren lassen. Die Pandemie birgt da besondere Gefahren, weil die Künstler, wie wir alle, gerade ziemlich viel Zeit und zudem großes Mitteilungsbedürfnis haben – dabei aber auch nicht viel mehr erleben als Lieschen Müller (auch wenn sie sich ziemlich sicher auf ein paar Quadratmetern mehr isolieren). Was soll da anderes rauskommen als Banalitäten?
Sehr, sehr viele Lieder sind also zum Thema erschienen. Vieles war gut gemeint – und natürlich das Gegenteil davon: „Zeit für Menschlichkeit“ von den Höhnern, „Machen wir das Beste draus“ von Silbermond oder „Hoffnung“ von Tocotronic ventilierten wohlfeile Parolen, die unverbindlich verhallten wie der Applaus vom Balkon. „You are the Champions“, dichteten Queen ihre Hymne zugunsten der im Gesundheitssektor Tätigen um, Avril Lavigne tat selbiges mit ihrem aufgewärmten Hit „We are Warriors“.
Am besten waren noch die Songs mit Augenzwinkern: Randy Newmans Social-distancing-Stückchen „Stay away“ etwa oder „Don’t stand so close to me“, dargeboten von Sting, Jimmy Fallon und den Roots auf Kinder-Instrumenten. Und natürlich „You can’t always get what you want“, zu dem sich die Rolling Stones per Video-Konferenz aus den jeweiligen Wohnzimmern zusammenschalteten. Als jüngstes Erzeugnis des Corona-Pop hat sich nun Stones-Sänger Mick Jagger mit Dave Grohl von den Foo Fighters zusammengetan. „Easy Sleazy“ ist gerade erst auf Youtube veröffentlicht worden – und gehört mit zum Besten, was zum Thema Corona herausgekommen ist. Ein räudiger kleiner Rocker, der alles auf den Punkt bringt, was es zur Pandemie zu sagen gibt.
Man sieht Dave Grohl an Gitarre und Schlagzeug im Studio und Jagger bei sich zu Hause, wie er auf seine Gibson SG eindrischt. Er versucht gar nicht erst, den Mitfühlenden raushängen zu lassen – eine Attitüde, die ihm schon immer am besten stand. Ihm geht’s wie Lieschen Müller, also plärrt er es raus: alles Mist! Der Abwasch stapelt sich, man wird fett und hat nichts mehr zum Anziehen. Zu viel Alkohol und Fernsehen, Fußballübertragungen mit Fake-Applaus, eine Welt aus Zoom-Calls und Inzidenz-Grafiken. Mit Ironie blickt Jagger auf die Welt nach dem Lockdown und den „Garten der irdischen Freuden“, der dann auf uns wartet. Dabei lauert doch die nächste Katastrophe schon um die Ecke.
Lange hat man nichts so Energiegeladenes mehr gehört von Sir Mick. Er klingt wie David Johanson von den New York Dolls, jenen Punk-Urvätern, die in den Siebzigern den Sound der Stones durch den Wolf drehten. „Ein Haufen Spaß“ sei die Zusammenarbeit gewesen, sagen die beiden Beteiligten. Eben: nicht gut gemeint, dafür gut.