In Deutschland ist Steve Cropper hauptsächlich bekannt als Gitarrist der Blues Brothers Band, die sich 1977 um die Schauspieler John Belushi (1949-1982) und Dan Aykroyd, Jahrgang 1952, gruppierte. Der Musiker war auch in beiden „Blues Brothers“-Filmen von 1980 und 1998 zu sehen. Den wenigsten Fans ist allerdings bewusst, dass Cropper in den USA bereits seit Ende der Fünfziger Musikgeschichte schreibt, etwa als Produzent bei Stax Records oder als Gitarrist bei Booker T. & the M.G.’s und auf unzähligen Aufnahmen als Gast zu hören ist (siehe Kasten). Nun bringt er ein Soloalbum heraus, es ist das erste seit 1967. Wir sprachen mit dem 79-Jährigen.
Wie kam es, dass Sie gerade jetzt ein Soloalbum aufgenommen haben?
Produzent John Tiven rief mich mitten in der Pandemie an. Er hatte bei sich im Studio Aufnahmen von mir gefunden und fragte, warum wir nicht jetzt etwas damit anfangen. Die stammten noch von Sessions mit Felix Cavaliere (Keyboarder, etwa bei The Rascals; Anm. d. Red.). Ich meinte, dazu bräuchten wir einen Sänger. Aber er hatte auch diesen schon parat: Robert C. Reale.
Wären die Stücke sonst einfach liegen geblieben?
Ehrlich gesagt, hatte ich die schon alle abgeschrieben. Wenn es nicht den Lockdown gegeben hätte, wäre es wirklich nicht zu dem Album gekommen.
Der Sound entspricht dem Soul der Sechziger- und Siebzigerjahre …
Ich weiß, das ist keine Musik für die Jüngsten. Wenn wir es aber schaffen, dass sie ihren Hintern ein wenig bewegen und dazu tanzen, wird das schon. Wir freuen uns darauf, die Stücke auf der Bühne zu feiern. Ich weiß auf jeden Fall, dass meine Kinder die Musik lieben.
Die Stimme von Robert C. Reale passt richtig gut zu Ihrer Musik.
Tatsächlich haben Leute schon eine ganze Weile auf mich eingeredet, dass ich einen Sänger brauche. Keine Ahnung, warum sie dieser Ansicht waren. (Lacht.) Ich kenne meine Grenzen.
Sie waren schon früh erfolgreich mit Booker T. & the M.G.’s.
Eigentlich war das ja nur eine sogenannte Back-up-Band für andere Musiker. Aber wir hatten 1962 Glück mit dem Song „Green Onions“. Damals hatten wir nur rumgeblödelt, weil der Sänger, mit dem wir arbeiten sollten, gar nicht im Studio aufgetaucht ist. Um die Laune hochzuhalten, spielten wir einfach zum Spaß, aber der Tontechniker drückte auf Aufnahme. Später holte er uns und meinte, wir sollten sie uns anhören, die sei ziemlich gut. Es ist halt auch immer Glücksache, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.
Das klingt ja nach einer sehr entspannten Art zu arbeiten. War das immer so?
Nein, das war nicht immer so und nicht mit jedem Musiker, mit dem man arbeitete. Aber mit Booker T. hat es ganz gut geklappt. Über neun Jahre standen wir an der Spitze. Und es kam ein Hit nach dem anderen heraus. Keine Ahnung, wie das klappte. Letztlich haben wir nur Tanzmusik verkauft, die viel Energie freisetzte. Und diese Methode wendeten wir dann mit verschiedenen Sängern an. Wir nahmen ein Bluesstück – und machten es tanzbar. Alles, was wir anfassten, selbst Balladen, hatten etwas Tanzbares.
Ihr Freund, Bassist Donald „Duck“ Dunn, der 2012 gestorben ist, soll bei neuen Aufträgen immer gesagt haben, dass das doch bitte nicht in Arbeit ausarten solle. War das die Grundeinstellung?
Ja, Donald Dunn, der beste Bassist der Welt. Jedes Mal, wenn er sich zu einem neuen Job hinsetzte, kam dieser Satz. Er hat die Leute immer zum Lachen gebracht. Aber er meinte das durchaus ernst.
Haben Sie diese Stimmung bis heute so beibehalten?
Ich mache jetzt natürlich nicht mehr so viele Sessions wie früher. Das war nicht immer relaxt. Manchmal waren es drei Durchgänge am Tag. Bei Stax hatte ich sehr viele Jobs. Zuerst spielte ich Gitarre, dann wurde gemixt, fertig produziert. Und manchmal ging ich dann noch mit dem Material zu den Radiosendern, um die DJs dazu zu bringen, den Song zu spielen. Im besten Fall riefen die Leute an und wollten das Lied noch mal hören. So stieg man in den Charts nach oben. Je mehr Nachfragen kamen, umso höher kletterte man. Heute geht es ja nur noch um Verkaufszahlen.
Ihre Kooperationen sind ungezählt: Sie haben etwa mit Otis Redding, Ringo Starr, Peter Frampton und Dolly Parton gearbeitet. Wie bleibt man da anpassungsfähig?
Ach, man geht einfach nach der Stimmung und versucht, den Stil des Musikers auf seine eigene Weise fortzuführen. Außerdem gibt es ja noch den Produzenten, der oft ziemlich genaue Angaben macht, was er von dir braucht. Bei Stax hatten wir am meisten Erfolg mit Rhythm’n’Blues, aber wir haben alles Mögliche dort aufgenommen: Country, Folk, Rock oder sogar Gospel.
Soul und Blues waren auch Basis der Blues Brothers.
Wenn ich zurückdenke an das, was wir mit und für die Blues Brothers getan haben, muss ich sagen, dass sich damals für Donald und mich eigentlich nichts änderte. Wir spielten genau das Gleiche, was wir einst auf der Highschool gespielt hatten. Als wir mit den Blues Brothers anfingen, fragten uns allerdings viele Kollegen, was wir mit den beiden Clowns da auf der Bühne wollten. Wir protestierten! Halt, das sind nicht nur Schauspieler, die ständig Komödie machen. Das sind ganz ernsthafte Musiker. Viele Menschen haben das erst viel später wahrgenommen. John Belushi, so lustig er auch sein konnte und wie gefeiert als Schauspieler – er war aber eben auch der Frontman einer Band und spielte Schlagzeug. Und Dan Aykroyd spielte Mundharmonika natürlich selbst. Die Zuschauer dachten, er tue nur so, aber das stimmte nicht.
Wie war die Arbeit mit den beiden?
Donald und ich mussten quasi nur auf den Zug aufspringen. Es hat wirklich viel Spaß gemacht. Als wir auf Tour gingen, wurde es sogar noch spaßiger.
Und die Filme?
Sagen wir mal, es war auf jeden Fall lustig, dabei zu sein. Donald sah mich eines Tages während der Dreharbeiten an und meinte: „Eigentlich könnte ich das für den Rest meines Lebens machen.“ (Lacht.) Das galt auch für mich. Sie haben sich wirklich um uns gekümmert beim Dreh.
Es muss sehr schön gewesen sein, einen Freund wie Donald Dunn zu haben, mit dem man von der Schulzeit an Musik machen konnte.
Wie waren schon Freunde, bevor wir überhaupt mit der Musik anfingen. Donald und ich wuchsen in der gleichen Nachbarschaft auf. Wir fuhren zusammen mit dem Fahrrad durch die Gegend, spielten Basketball. Ich vermisse ihn wirklich sehr. Einen solchen Freund gibt es sonst nicht mehr. Ich habe Freunde – aber Donald war etwas Besonderes.
Das Gespräch führte Antonio Seidemann.