Ganz im Fluss

von Redaktion

Stefan Dettl über das Yoga-Album von LaBrassBanda

VON ANTONIO SEIDEMANN

Konzerte von LaBrassBanda zeichnen sich gemeinhin durch einen hohen Energiepegel aus. Sieben Buben, barfuß und meist in Lederhosen, sorgen auf der Bühne dafür, dass der Kessel brodelt. Beim neuen Projekt der Blaskapelle vom Chiemsee geht es wieder um Energie, diesmal aber um eine ganz andere. Die „Yoga Symphony No. 1“ entstand tatsächlich vor dem Hintergrund, bei Yoga-Sitzungen gespielt zu werden. 17 Titel, die ineinander übergehen, bieten einen Klangfluss, der sich im Rhythmus der Atmung bewegt. Insofern passt es, dass wir uns mit Trompeter Stefan Dettl zum Gesprächsspaziergang an der Isar treffen.

Wegen eines offiziellen Termins kommt der Mann aus Traunstein in ungewohnt seriösem Zwirn, was ihn aber nicht daran hindert, schnell die Schuhe auszuziehen und im eiskalten Isarwasser zu stehen. Der Schalk sitzt Dettl nach wie vor im Nacken, obwohl auch bei ihm das Corona-bedingte Berufsverbot an der Laune nagt. Sind LaBrassBanda also aus Frust ins esoterische Lager gewechselt? Keine Angst, ein Blick auf die Homepage zeigt ein ungewöhnliches Angebot im hauseigenen Shop. Ein Bier-Yoga- Set, eine Matte mit dem Logo des neuen Albums und dem Maßkrug der letzten Scheibe „Danzn“, denn: „Die Matte befreit den Körper, der gefüllte Krug befreit den Geist“, wie es dort heißt.

Damit konfrontiert, lacht Dettl: „Genauso ist es.“ Trotzdem ist das Ganze nicht einfach ein Jux. LaBrassBanda spielten die Musik bereits vor einem Yoga-Publikum – mit verblüffendem Ergebnis. „Die Energie, die sich da aufbaut, ist unglaublich und vor allem sehr positiv“, sagt Dettl. Auch die Gemeinschaft, in die sie hineinblicken konnten, beeindruckte die Musiker. „Wir wurden als totale Yoga-Laien unheimlich herzlich aufgenommen.“ Ganz so Yoga-fremd ist Dettl allerdings nicht: „Während des Musikstudiums werden viele Übungen gemacht, die in diese Richtung gehen. Da ist es wichtig, sich mental und körperlich an einen Punkt zu führen, an dem man sich bei einem Konzert über die ganze Dauer des Auftritts konzentrieren kann.“

Diese Konzentration wird auch bei der „Yoga-Symphony“ notwendig sein. Knapp eineinhalb Stunden durchzuspielen, ist nicht so einfach. Für die Aufnahmen im Studio gab es Pausen – aber live… „Wir halten uns im Konzertfall schon an die Komposition, wobei man sich vom Tempo her und von der Intensität auch im Einklang mit den Yoga-Leuten bewegt“, formuliert es Dettl. Erzielt wird dies mit auf- und abebbenden Bläsersätzen und zurückgenommener Percussion. Ein wenig erinnert es an Steve Reichs Minimalmusik in Bluesharmonien.

„Wir sind nicht den Vorgaben für Yoga-Musik gefolgt“, räumt Dettl ein. „Die gibt es nämlich durchaus. Zum Beispiel Harmonien, die den Om-Gesang fördern. Wir haben eher versucht, unsere eigene Musik einer neuen Situation anzupassen.“ Für 21. und 22. Mai ist eigentlich eine Veranstaltung mit LaBrassBanda und Yoga-Lehrer Petros Haffenrichter im Münchner Hofbräuhaus geplant. Aber momentan sieht es eher so aus, als müsse man sich auf den Ausweichtermin im Oktober vertrösten lassen.

„Für viele Musiker, überhaupt für alle im Kulturbetrieb ist die Situation ganz bitter.“ Stefan Dettls Miene verdüstert sich auf dem Hochweg zwischen Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke. „Trotzdem möchte ich mich an keinem Politikerbashing beteiligen. Da gilt für mich immer die Maßgabe: Engagier’ dich selbst und mach’ es besser.“ Dettl weiß, dass Corona nur etwas sichtbar gemacht hat, was schon länger gilt: kaum Lobby für die Kultur mit einer entsprechenden Stellung in der Gesellschaft, von der lächerlichen Entlohnung für Internet-Projekte ganz zu schweigen. „Selbst wenn du 100 000 Aufrufe auf Spotify hast, kannst du froh sein, wenn du 300 Euro rausbekommst.“

So bleibt den Musikern fast nur noch das Live-Geschehen, um zu überleben. Und natürlich scharren LaBrassBanda ebenso wie andere bereits mit den Hufen, um auf die Bühnen zu stürmen. Immerhin etwas Gutes hatte der Lockdown aber dann doch, verrät Dettl. „Am Anfang hat jeder Musiker sein Instrument frustriert in die Ecke geworfen. Irgendwann holt man es wieder hervor und probiert Dinge aus. Da merkt man, dass man einiges verlernt und lange nichts Neues probiert hat. Beim normalen Betrieb mit über 100 Auftritten im Jahr spielt man halt immer sein Programm, riskiert aber kaum Experimente.“ Deshalb auch die „Yoga Symphony No. 1“. LaBrassBanda ganz im Fluss. » CD-TIPP LINKS

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