„Für mich ist die leidenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk entscheidend. Man muss mit Herzblut herangehen. Das ist etwas sehr Persönliches, denn ein Kunstwerk hat eine Spiegelfunktion.“ So erklärte Ingvild Goetz im Gespräch mit unserer Zeitung, was eine echte Sammlerpersönlichkeit ausmacht. Seit 1993 lässt sie uns alle mehr und mehr mit in den Spiegel schauen, der nicht nur die vielseitig neugierige, dem Humor wie der Härte des Lebens zugeneigte Sammlerin reflektiert – sondern auch uns selbst. „Nachhaltiger Einsatz“ sei notwendig, betonte die Münchnerin noch, und den hat sie seit den späten Sechzigerjahren bewiesen. Heute feiert Ingvild Goetz, die 1941 im westpreußischen Kulm geboren wurde, ihren 80. Geburtstag.
Die Politologin und Unternehmertochter war als junge Frau schnell der Kunst verfallen, suchte zugleich den Kontakt zu Menschen, denen sie ihre Begeisterung, ihre Entdeckungen weitergeben konnte. Es begann 1969 mit einem Grafikverlag in Konstanz, dem konsequenterweise eine Galerie folgen sollte. Dass die Schweizer Goetz nicht mehr wollten – Polit-Kunstaktion –, war Glück für München. 1973 bis ’84 führte sie die Galerie art in progress an der Maximilianstraße. Basis war die Arte Povera, dazu kamen heutige Klassiker wie Cy Twombly, Bruce Nauman oder Christo, der natürlich die Galerie verhüllte. Aber die eigentliche Leidenschaft war das Sammeln. Der konnte sie, finanziell unabhängig geworden, ab 1984 nachgehen. Menschen blieben dennoch wichtig.
Eine Ausstellungshalle auf ihrem Grundstück in Oberföhring sollte den Austausch mit ihnen möglich machen. 1993 wurde sie eröffnet und zeigt seitdem halbjährliche Ausstellungen. Seit 2014 unterhält der Freistaat das Museum, das im Zuge einer Schenkung zusammen mit 375 Medienkunstwerken an Bayern überging. Als hellwache Kennerin hatte Ingvild Goetz früh Videokunst erworben – genauso wie sie Installationen, Fotoarbeiten und eben auch systematisch Kunst von Frauen in ihre Kollektion aufnahm. Sie lief nie großen Namen hinterher; es war/ist schon eher so, dass, wer von Goetz gekauft wird, Aufmerksamkeit erhält und im Kunstmarkt und in der Ausstellungs-/Museumsszene aufsteigt.
Kontakt zu Menschen hieß für Goetz mehr und mehr, sich auf Institutionen einzulassen. Seit 2011 laufen im Luftschutzkeller des Münchner Hauses der Kunst Videowerke; jetzt (sobald wieder zugänglich) „Cyrill Lachauer – I am not sea, I am not land“ (bis 12. September). Die Staatsgemäldesammlungen profitieren ebenfalls von der Sammlung Goetz, aktuell in der großartigen Schau „Au rendez-vous des amis“ in der Pinakothek der Moderne (bis 16. Januar 2022). Da trifft Klassische Moderne auf Gegenwartskunst – und es prickelt. Klar, dass das Kunstfilmfestival „Kino der Kunst“ ohne Ingvild Goetz nicht denkbar wäre. Sie engagiert sich dafür bis hin zur Stiftung des Hauptpreises im vergangenen Jahr. Selbstverständlich ist die Grande Dame der Münchner und deutschen Sammler-/Kunstszene in zahllosen Räten und Kuratorien; und noch zahlreicher sind die Ehrungen, mit denen die Unermüdliche überschüttet wurde.