Scherben des Glücks

von Redaktion

Das Museum Fünf Kontinente eröffnet die schillernde Schau über Seladon-Porzellan aus China

VON MICHAEL SCHLEICHER

Die Musik setzt ein, kurz nachdem die große, schwere Tür des Brennofens aufschwingt. Die kühle Luft, die nun auf das Porzellan trifft, das gerade noch bei bis zu 1300 Grad Celsius gebrannt wurde, lässt die Werkstücke klirren und klingen. Diese feinen, hohen Töne, erzeugt von den krakelierenden Glasuren, hören Brennmeister und Keramikkünstler als eine „Art Musik der Perfektion oder des Misslingens“. Ja, es soll Profis geben, die in diesem Moment erlauschen können, ob der Brand tatsächlich geglückt ist. Ist er es, schillert das jadegleiche Porzellan in vielfältigen Blau- und Grüntönen, wie wir sie vielleicht vom Gefieder eines Eisvogels kennen.

Im Museum Fünf Kontinente können die Gäste diesen Kompositionen aus dem Brennofen nun ebenso lauschen, wie sie eintauchen können in die Farbspiele der Objekte. „Seladon im Augenmerk“ heißt die neue Sonderschau, die vom Völkerkundemuseum der Universität Zürich nach München gekommen ist und die unter der Mitarbeit von vier Seladon-Meisterinnen und 14 Seladon-Meistern aus Longquan im Südwesten Chinas entwickelt wurde.

Dort kennt man seit Jahrhunderten verschiedene Porzellane aus lokalen Ton-Arten und Erden – darunter eben auch das in Grün und Blau schimmernde Seladon, das eine erste Blütezeit seit der Song-Dynastie vom 11. bis ins 14. Jahrhundert hinein erlebte. Damals fand es Eingang in die Sammlungen des Kaisers und wurde weltweit exportiert.

Die Stärke der Ausstellung ist es, dass Kuratorin Anette Mertens, die nicht nur Sinologin ist, sondern glücklicherweise auch Keramikerin, sehr anschaulich die Brücke aus der Historie ins Heute schlägt. Das Handwerk an sich wird ebenso praxisnah erläutert wie seine Bedeutung anschaulich erklärt. Am deutlichsten wird das gleich im ersten Raum, der über die Rohstoffe des Seladons (letztlich Verwitterungsprodukte des Vulkangesteins) ebenso informiert wie über die Geschichte der Herstellung in Longquan. Doch bereits hier werden eben auch die Künstlerinnen und Künstler vorgestellt, durch die diese Tradition weiterlebt – und deren Arbeiten den Hauptraum bespielen. In informativen und prominent präsentierten Filmen kommen sie in allen Bereichen der Ausstellung zu Wort, geben Einblick in ihre Werkstätten und Arbeitsweisen. Diese Frauen und Männer bewahren das jahrhundertealte Handwerk – und entwickeln es weiter. Damit sie nicht die Letzten ihrer Art sind, diskutieren die Meisterinnen und Meister längst über Natur- und Ressourcenschutz. Ausschussware wird etwa durch Zermahlen zurückgewonnen, sodass die Rohstoffe für die Seladon-Produktion künftiger Generationen gesichert sind.

Schließlich wäre es ein Jammer, wenn diese Kunst verloren ginge. Die Schalen und Gefäße, die Weihrauchbehälter, Vasen, Flaschen und Kelche erzählen mehr als nur von ihrer reinen Funktionalität. Fische, Schildkröten, Laub und Pflanzen – alles kann im Schaffensprozess Motiv sein; eine Fotowand stellt Natur- und Glasurdetails einander beziehungsreich gegenüber.

Auch Franca Wohlts großformatige Fotografien vermitteln einen Eindruck davon, in welcher Umwelt gearbeitet wird. Auf viele Arten finden sich etwa die sattgrünen Landschaften der Provinz Zhejiang, in der Longquan liegt, der Himmel, die Wolkenformationen, Nebel- und Regenstimmungen im Porzellan wieder. Doch natürlich lässt sich aus einer Seladon-Schale auch schlicht Tee trinken. Was nicht einmal die schlechteste Idee ist.

Bis 7. November,

Di.-So. 9.30-17.30 Uhr,

Maximilianstraße 42,

Katalog (Arnoldsche): 39,90 Euro; weitere Infos unter www.museum-fuenf-kontinente.de.

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