Beziehungskomplexe

von Redaktion

Mary Millers elf Frauenporträts in „Always Happy Hour“

VON JOHANNA POPP

Ihr Buch widmet Mary Miller auf der ersten Seite ihren ExFreunden. Etwas merkwürdig, möchte man meinen, in der Danksagung wird es aber doch noch konkreter: Ihre ehemaligen Partner hätten ihr „Stoff für Jahre im Voraus geliefert“, steht da. Das ergibt schon mehr Sinn, wobei das interessante Typen sein müssen, wenn sie als Inspiration für die männlichen Nebenfiguren dieses Erzählbands dienen konnten. Da findet sich ein von Gewissensbissen geplagter Kleinkrimineller hier, ein mit seiner Sexualität hadernder Tiefreligiöser dort, ein deprimierter Dichter fehlt auch nicht.

Damit kein falscher Eindruck entsteht – in den elf Kurzgeschichten, aus denen „Always Happy Hour“ besteht, geht es nicht um Männer. Es geht um Frauen in verschiedenen Abschnitten völlig unterschiedlicher Lebensentwürfe, die aber – abgesehen von mittelschweren Alkoholproblemen – eine weitere Sache gemeinsam haben: Die Beziehungen, die sie pflegen zu (Ex-)Partnern, Freundinnen oder Kindern, sind alles andere als unkompliziert.

So nennt eine von Millers Protagonistinnen ihren Freund in Gedanken nur den „Arzt“, während sie eigentlich eher daran interessiert ist, ihren jungen Studenten zu verführen. Eine andere ist überzeugt davon, für das Kind ihrer Bekannten die eigentlich bessere Mutter sein zu können, und ergeht sich in Tagträumen von Zoobesuchen und Einkäufen im Biomarkt. Und eine dritte verreist mit ihrer Freundin, die sie eigentlich nicht leiden kann, und telefoniert abends mit ihrem Partner, „mit Abstand der langweiligste Mann, mit dem ich je zusammen gewesen war“.

Einige Geschichten sind krass, etwa die des Junkiepärchens, das sich zu Handlangern eines Mörders macht. Andere wie die über eine Familienkreuzfahrt scheinen so trivial, dass man sich hinterher fragt, warum man sie so gern gelesen hat. Vielleicht aber ist das der Punkt: Die meisten dieser Frauen befinden sich in Situationen, die vielen zumindest abstrakt vertraut sein dürften. Auf dem Sprung aus einer Liebesbeziehung etwa, in einer toxischen Freundschaft oder heftig verliebt und bekümmert über den daraus resultierenden Verlust der eigenen Autonomie. Alle jedenfalls sind auf der Suche – nach der Liebe, nach Glück, nach sich selbst.

Dass Miller von dieser inneren Unruhe mit einer gewissen Beiläufigkeit erzählt, macht ihre Geschichten nur noch authentischer. Es wirkt beinahe, als zeige sie auf ein junges Paar am Café-Nebentisch, zwei plausibel glücklich wirkende Menschen, und erzähle dann mit viel Empathie aus deren Leben – Alltagsgeschichten und doch Außergewöhnliches, Belanglosigkeiten, deren Bedeutsamkeit erst spät ins Bewusstsein dringt.

Mary Miller:

„Always Happy Hour“. Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs. Hanser, Berlin, 192 Seiten; 22 Euro.

Authentische Kurzgeschichten mit viel Empathie

Artikel 4 von 11