Der Stil: einzigartige Eleganz. Der Inhalt: tiefe Melancholie. Die Form: brillante Leichtigkeit. Das alles macht die frühen Erzählungen von Gaito Gasdanow (1903-1971) zu einem wunderbaren Lektüre-Genuss. „Schwarze Schwäne“ ist der Band der von Rosemarie Tietze kongenial übersetzten Auswahl der neun Geschichten benannt. Sie erzählen von den russischen Emigranten in Paris zu Beginn der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, von Liebe und Vergeblichkeit, abgestumpfter Leidenschaft, ungestillter Sehnsucht. Zum Beispiel nach den schwarzen Schwänen Australiens, die mit ihren mächtigen Schwingen eine „andere Geschichte der Welt“ überliefern.
Pawlow weiß alles über sie, doch sehen wird er sie nie. Er wird sich im Bois de Boulogne erschießen: „Das Leben hier ist schwer und uninteressant.“ Das findet auch der Ingenieur Alexej Stepanowitsch, der als mittelloser Emigrant mit der Erfindung einer automatischen Vorrichtung für Eisenbahntoiletten unverhofft zu einem reichen Mann wird. Von Stund’ an aber ist er von einem unüberwindlichen Abscheu seinem neuen Dasein gegenüber erfüllt.
Tief taucht man bei der Lektüre ein in die Dramatik des Lebens dieser Exilanten, in die Absurdität ihrer vielfach tragischen Existenz, die dennoch nie ganz ohne Komik auskommt. Denn Gaito Gasdanow, eigentlich einer von ihnen, wirft einen so liebevollen wie auch distanzierten und ironischen Blick auf seine Figuren.
Spät erst wurden seine Bücher für Deutschland entdeckt, es ist noch keine zehn Jahre her, dass seine Romane, etwa „Das Phantom des Alexander Wolf“ oder „Ein Abend bei Claire“, bei Hanser erschienen sind. Als Zwanzigjähriger kam Gasdanow 1923 nach Paris. Da lagen schon vier Jahre Bürgerkrieg aufseiten der Weißen, ein Jahr Soldat auf einem Panzerzug, Lagerhaft, Hunger, militärischer Drill, schließlich Flucht nach Konstantinopel hinter ihm.
Gasdanow, schreibt seine Übersetzerin Rosemarie Tietze im Nachwort, „gehörte zum ,Russischen Montparnasse’“, zu jenen jungen Autoren, die gerade erst die Bühne betraten und nicht immer nur der eigenen ruhmreichen Vergangenheit, den drei Birken und der Liebe zum Vaterland nachtrauerten. Gasdanow konnte in Paris vom Schreiben allein nicht leben. Seinen Unterhalt verdiente er sich mit Taxifahren. Ab 1953 allerdings wurde er Redakteur beim Sender Radio Liberty. Wechselweise arbeitete er in Paris und München, lebte in Schwabing, wo er 1971 an Lungenkrebs starb. Über 50 Erzählungen liegen in der russischen Gasdanow-Ausgabe vor. Die Hoffnung also auf weitere Veröffentlichungen bei Hanser ist durchaus berechtigt.
Gaito Gasdanow:
„Schwarze Schwäne“. Aus dem Russischen von Rosemarie Tietze. Hanser,
München, 270 S.; 24 Euro.