Womöglich ist der 18. September ja viel interessanter als der eigentliche Eröffnungstag. Dann wollen die Münchner Philharmoniker ihr letztes Konzert in der sanierungsbedürftigen Philharmonie geben (ob vor ausgebauten Stuhlreihen oder nicht), um danach in die neue Heimat zu ziehen. Und das ist wörtlich zu nehmen. Zu Fuß, so kündigte es Orchestervorstand Matthias Ambrosius an, werde man vom Gasteig zum Sendlinger Interimsquartier marschieren. Spielend womöglich und inklusive einiger „Musikinstallationen unter den Brücken“.
Es ist gewissermaßen ein Heranschleichen an die Isarphilharmonie, wie der neue Saal bekanntlich heißt. Am 2. Oktober soll es dann Clubkonzerte geben unter anderem im Bahnwärter Thiel, bevor am 8. Oktober endlich das große Eröffnungskonzert steigt. Am Terminplan gibt es keinen Zweifel, das betonte gestern auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Mit seinem teuersten Angestellten, dem philharmonischen Chefdirigenten Valery Gergiev, besichtigte er die weit fortgeschrittene Baustelle an der Hans-Preißinger-Straße, um dabei ein großes gegenseitiges Schulterklopfen anheben zu lassen. Man könne „nur alle beglückwünschen“ zum Verlauf dieses Projekts. Ein „cooler öffentlicher Ort“ entstehe hier. Und die gleichzeitige Sanierung von Gasteig und Bespielung dieses Interims-Areals sei „einmalig in Europa“.
Gergiev pflichtete bei: Weltweit würden derzeit Projekte gestoppt oder verschoben, in München nicht. Natürlich hoffe er, dass sich die Situation verbessere, will heißen: Für die ersten Konzerte solle der 1900-Plätze-Saal möglichst gefüllt sein. Deshalb würden auch mehrere Szenarien entwickelt – je nachdem, wie groß die Besetzung auf dem Podium sein dürfe. Trotzdem herrscht Optimismus unter den Verantwortlichen – wobei noch aus einem anderen Grund nicht klar ist, was am 8. Oktober in der Interimsphilharmonie erklingt. Am Eröffnungstag soll es nämlich ein „Überraschungsprojekt“ geben, für das der Schweizer Theatermacher Christoph Marthaler engagiert wurde. Erst zwei Wochen zuvor legt er fest, in welcher Form die philharmonischen Musikerinnen und Musiker daran teilnehmen.
Im eigentlichen Eröffnungskonzert gibt es zwei Uraufführungen, eine stammt vom französischen Organisten Thierry Escaich, die andere vom russischen Wahlmünchner Rodion Schtschedrin. Hauptwerk ist Ravels zweite Suite aus „Daphnis et Chloé“. Als „Sensation“ bezeichnet es Philharmoniker-Intendant Paul Müller, dass der Wunderpianist Daniil Trifonov an diesem Abend seinen Münchner Zyklus mit Beethovens Klavierkonzerten startet. Dass Gergiev dirigiert, versteht sich von selbst.
Während der Eröffnungsphase soll die Akustik der Isarphilharmonie mit verschieden dimensionierten Werken getestet werden – dies vor allem mit Schlachtrössern wie dem „Heldenleben“ von Strauss oder Strawinskys „Feuervogel“. Orchestervorstand Ambrosius sprach mit Blick auf das Programm von einem „Überraschungs-Ei“. Man werde im Interims-Gasteig neue Formate wie „Mphil late“ ausprobieren oder den „Nach(t)klang“, bei dem Ensemblemitglieder sich nach getaner Arbeit an der Bar zum Gespräch treffen lassen.
Nicht nur über diesen ersten Wochen schwebt das Motto „Nähe“, wie Intendant Müller sagte. Das betrifft die im Vergleich zum Haidhauser Saal wesentlich gedrungenere Isarphilharmonie, aber auch den Kontakt zum Publikum außerhalb der Konzerte, gern zu neuen Hörerschichten. In den nächsten Tagen solle jeder philharmonische Abonnent ein Platzangebot für den neuen Saal bekommen. Nachdem der Rücklauf ausgewertet sei, würden Ende Juli die neuen Abos organisiert. Wie berichtet, soll es mehr kürzere Reihen und auch À-la-carte-Angebote geben.
Die kommende Spielzeit bietet Schwerpunkte wie Richard Strauss und Uraufführungen. Ehrendirigent Zubin Mehta schaut wieder vorbei. Für klassische Chorsymphonik holt man sich Dirigenten abseits romantisierender Kraftmeierei: Antonello Manacorda leitet Beethovens Neunte, Philippe Herreweghe das Mozart-Requiem. François-Xavier Roth, einer der zurzeit interessantesten Pultmänner, darf bei Strauss’ „Tod und Verklärung“ ran. Die dirigierende Sopranistin Barbara Hannigan besorgt eine halbszenische Aufführung von Poulencs „La Voix humaine“. Und Gergiev bleibt bei Standards von Bruckner bis Schostakowitsch, um dann mit „Klassik am Odeonsplatz“ das Saisonfinale zu bestreiten.
Informationen
unter mphil.de.