Die Macht des Klangs

von Redaktion

„Tosca“ mit Anna Netrebko und Jonas Kaufmann in Salzburg

Cecilia Bartoli in Puccinis „Tosca“? Diese Ankündigung hätte nach ihren zurückliegenden Ausflügen zur „Norma“ oder „Sonnambula“ wahrscheinlich gar nicht so große Überraschung hervorgerufen. Aber tatsächlich gönnte sich die Künstlerische Leiterin am Abschlusstag ihrer Salzburger Pfingstfestspiele nur einen kleinen Spaß und schlenderte im dritten Aufzug barfuß in Latzhosen einmal quer über die Bühne, um mit verschmitztem Lächeln das kurze Lied des Hirtenjungen zu trällern. Womit sie hier noch einmal zu jener Rolle zurückkehrte, in der sie als Neunjährige einst ihr Bühnendebüt gegeben hatte.

Solch eine Luxusbesetzung ist typisch für Salzburg, wo man selbst als kurzfristigen „Ersatz“ für die ursprünglich angekündigte Anja Harteros keine Geringere als Anna Netrebko aufgeboten hat, die wusste, was sie ihrem Publikum schuldig war und auf der ganzen Linie triumphierte.

Denn selbst wenn der Verismo-Reißer hier nur in konzertanter Form geboten wurde, war der Russin die Erfahrung anzumerken, die sie in dieser Paraderolle bereits in diversen Inszenierungen gesammelt hat. Schließlich kommt es gerade bei „Tosca“ auch auf die kleinen Blicke und wortlosen Gesten an, die über das Gesungene hinausgehen.

Wunderbar gestaltet war hier unter anderem das Duett mit Cavaradossi aus dem ersten Akt. Schwankend zwischen zärtlichen Liebesschwüren und kleinen Eifersüchteleien. Daneben gab es aber freilich auch Augenblicke, in denen Netrebko ihre Bühnenfiguren kurz zu vergessen schien. So etwa beim „Vissi d’arte“, das hier weniger ein nach innen gekehrtes Gebet war, sondern zur Freude des Publikums als glamouröser Diven-Moment zelebriert wurde – effektvoll gesteigert mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln der Gesangskunst.

In dieser Gesellschaft ließ sich selbstverständlich auch Jonas Kaufmann nicht lumpen, der nach den schier endlos gehaltenen „Vittoria“-Rufen später ebenfalls beim „E lucevan le stelle“ ganz aus sich herausging und dafür mit ähnlichen Ovationen belohnt wurde. Nicht zuletzt dank Zubin Mehta, der seinen beiden Stars alle Freiheiten gönnte und am Pult des Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino eher mit breiten, mit Pathos geschwängerten Tempi unterwegs war.

Strenger am Zügel genommen wurde von ihm lediglich der zweite Einspringer, Luca Salsi, der einen finsteren Baron Scarpia gab und sich mit seinem kantigen Bariton im „Te Deum“ souverän gegen den – trotz Maskenpflicht – machtvoll donnernden Chor behaupten konnte. Klangausbrüche, wie man sie live lange nicht mehr gehört hat. TOBIAS HELL

Artikel 4 von 10