Keine Panik: Udo Lindenberg weiß Bescheid. „Und jetzt nimmt ihn Lady Whisky/ ganz zärtlich in den Arm“, textete er in „Unterm Säufermond“. „Gratuliert zu den Geschäften/ ,Die sind heut’ sehr gut gelaufen/ Lass uns beide, du und ich/ erstmal richtig einen saufen.‘“ In dem Lied von 1991 geht’s eben nicht nur um den Rausch – der Sänger erwähnt zudem jene Bedeutung von Alkohol, für die in der Kulturwissenschaft die Formulierung „ritualisiertes Trinken“ benutzt wird. Anstoßen, um miteinander einen Erfolg – beruflich, privat – zu feiern, um gemeinsam zu trauern oder einfach, um mit anderen Menschen eine gute Zeit zu haben.
„Neben der gehobenen Konversation reichen die Anlässe für den Einsatz der entspannenden, gemütsaufhellenden oder erheiternden Wirkung hochprozentigen Alkohols von der Begrüßung über die Gratulation bis zum Geschäftsabschluss“, berichtet Frank Matthias Kammel, Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums. In seinem Haus an der Prinzregentenstraße hat gerade die Schau „Schnapstrinken. Mit Stil. Aus Spaß. Als Droge.“ eröffnet, die informativ den vielfältigen Bedeutungen von Spirituosen nachspürt.
Thomas Schindler und Angelika Schuster-Fox stellen an den Beginn ihrer feinen, geschickt kuratierten Studioausstellung ein zunächst unscheinbar wirkendes Gefäß. Die braune, bauchige Branntweinflasche aus Birnbaumholz wurde 1618 gefertigt und ist heute das älteste bekannte Exemplar ihrer Art. Sie war ein Geschenk für den Junggesellen Stefan Lacher – die Inschrift richtete sich jedoch an alle, die seinerzeit dabei waren, als sie überreicht wurde: Der anzügliche Spruch läuft rundum und von oben nach unten – die Flasche musste also von allen am Tisch gedreht werden, wenn diese den Text lesen und darüber lachen wollten. Vielleicht war damit sogar eine Art Trinkspiel verbunden – sicher ist, dass das Gefäß die Geselligkeit der (Männer-)Runde erhöhte.
Auch damals gab es also bereits gemeinschaftsstiftendes Trinken. In der Schau erzählen zahlreiche sogenannte Gestaltgefäße von diesem spielerischen Alkoholgenuss – von der Kröte und anderen Tieren über diverse Körperteile bis zum „Trinkschuh“ war und ist der Fantasie der Hersteller von Flaschen und Gläsern kaum Grenzen gesetzt. Die Gegenwart ist mit einem sehr kitschigen und einem sehr makabren Exponat vertreten: eine Garnitur in Fischform und eine, bei der die Flasche die Form einer Kalaschnikow hat – getrunken wird aus Patronenhülsen.
Dabei war das Brennen von Alkohol bis ins frühe 16. Jahrhundert ein Privileg von Apothekern und Medizinern, das streng überwacht wurde. In Süditalien und Spanien finden sich die für Europa ältesten Belege für das technische Verfahren zur Destillation ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Fortan verbreiteten Mönche und Ärzte das Wissen auf dem gesamten Kontinent: Schnaps war Medizin; erste deutschsprachige Traktate über den heilenden Nutzen von Hochprozentigem erschienen im 14. Jahrhundert. In der Schau erinnert daran ein Gefäß, mit dem Mitte des 19. Jahrhunderts im Kloster Thulba der Alkohol bei der Destillation aufgefangen wurde: „Ohne dich bin ich stets krank – Branntwein, du edler Trank“ ist darauf zu lesen.
Die „zünftige Geselligkeit“ kam später hinzu. Der Begriff ist übrigens nicht zufällig im Spirituosen-Strom vorbeigeschwommen: Das gemeinsame Trinken bei besonderen Anlässen diente etwa den in Zünften organisierten Handwerkern bis ins späte 19. Jahrhundert als Demonstration der Gleichheit aller Anwesenden. Das Verschütten von Alkohol galt dabei als Zeichen unangemessener Trunkenheit und wurde empfindlich bestraft. Zwar gibt’s heute keine Zünfte mehr – aber an diese Regel kann man sich nach wie vor gut halten. L’Chaim – Auf das Leben!
Bis 30. Januar 2022,
Di.-So. 10-17 Uhr,
Do. 10-20 Uhr; Telefon 089/21 12 401.