Ein Lügner, der von sich behauptet, immer die Wahrheit zu sagen. Was sich Bernard allerdings erlaubt, ist schon pathologisch! Er lügt sprichwörtlich das Blaue vom Himmel herunter, alles, um seine Affäre mit der jungen Praktikantin vor Ehefrau Nelly zu vertuschen. Und das mit einer schamlosen Leichtigkeit, die seinen besten Freund Philippe nicht nur sprachlos stehen lässt, sondern sogar dessen Liebesglück gefährdet. Das boulevardeske Moralstück von Filmemacher Éric Assous (1956-2020) „Das Blaue vom Himmel“ in einer Bearbeitung von Dieter Hallervorden feierte am Donnerstagabend Premiere auf der neuen Freiluftbühne der Komödie im Bayerischen Hof. Sie befindet sich direkt am Gasthaus Siebenbrunn in Thalkirchen, das umgeben von alten, großgewachsenen Bäumen nicht nur idyllisch gelegen ist, sondern zugleich die bis zu 280 Zuschauer auf ihren Bierbänken mit Getränken und Canapés versorgt.
Das Ambiente und selbst das Wetter stimmen schon mal, als Intendant Thomas Pekny um 20 Uhr seine neue Sommerbühne betritt. Während vom Biergarten immer wieder Töne der Live-Musik herüberwehen, spricht er von einem „historischen Moment“, endlich wieder Theater machen zu dürfen, von einer „Verzweiflungstat“, die ihn dazu bewogen habe, diese zweite Bühne zu installieren. Zur Erklärung: Die Komödie im Bayerischen Hof kämpft in diesen Zeiten als nicht subventioniertes Privattheater ums Überleben. Doch, so Pekny noch, man gebe weiter alles – „dem Publikum zuliebe. Viel Vergnügen!“
Und das scheint es zu haben. Marko Pustišek, der das Stück inszenierte, spielt den durchaus charmanten Dauerlügner und selbstverliebten Macho Bernard. Wie Gewehrfeuer donnert er seine Gespinste heraus. Er biegt und lügt, manipuliert, flexibel, abstrus, wortreich und in rasantem Tempo. Kein Wunder, dass Kumpel Philippe dem zunächst nichts entgegenzusetzen weiß. Harald Effenberg verleiht dem Freund des Lügenbolds eine bemitleidenswerte Gutmütigkeit, aus der er später noch schlüssig zum Gegenangriff überzugehen weiß. Es geht für ihn um nichts Geringeres als das eigene Glück mit Alice (sehr leidend: Susanne Eisenkolb).
Das Gelächter der Gäste angesichts der Duelle der Männer, bei denen gar ein Schwert geschwungen wird, ist jedenfalls groß. Bei aller Heiterkeit: Bernards Figur mag überzogen sein. Beim Sinnieren über dessen Kunst der skrupellosen Manipulation und die lähmende Sprachlosigkeit seiner Opfer baut sich auch ein Gedanke auf: Ist nicht jeder schon einmal so einem raffinierten Lügner aufgesessen?
Freilich handelt es sich um eine Komödie, und so bricht am Ende Bernards Lügengebäude wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Wird ihm Ehefrau Nelly (fast zu taff: Mariella Ahrens) die Affäre mit Soraya (gewitzt und spritzig: Felicitas Hadzik) verzeihen? Vielleicht. Und ist das Miteinander, wie Bernard sinngemäß als Schlussmonolog erklärt, nicht ein wenig schöner, wenn wir die harte Realität durch kleine Schwindeleien ein wenig weicher werden lassen? Ist es Lüge oder Charme, einer unattraktiven Person den Tag mit einem Kompliment zu versüßen? Wird sie durch die Freude darüber nicht schön?
Je später der Abend, desto besser kommt auch die von Intendant Pekny entworfene Bühne mit dem roten Plüschsofa als Hinweis auf Philippes Wohnung zur Geltung. Die wabenartigen, indirekt beleuchteten Strukturen im Hintergrund wechseln je nach Stimmung des Geschehens die Farbe. Nach gut zwei Stunden folgt der lange, große Schlussapplaus. Als Erkenntnis aus dem gerade für die Kunst so harten Lockdown gibt Hauptdarsteller und Regisseur Martin Pustišek dem komödienseligen Publikum noch eine Botschaft mit auf den Heimweg: „Genießen Sie jeden Moment, als sei es der letzte.“
Weitere Vorstellungen
bis 25. Juli, Do.-So.; komoedie-muenchen.de.