Hochprozentige Schauspiellust

von Redaktion

Sie nennen sie das „Nachtkastl“, die kleine Bühne oben unterm Dach, 1989 als zweite Spielstätte eröffnet. „Nachtkastl“ klingt freilich viel zu brav für jenen Abend, der hier 2009 Premiere hatte. Markus Brandl wühlte, wütete, winselte sich durch „Rum und Wodka“, die alkoholschwere Lebensbeichte eines Säufers und Tunichtguts, aufgeschrieben vom Iren Conor McPherson. Die Inszenierung hatte Startprobleme, doch als Brandl die erste Halbe geext hatte, war der knapp zwei Stunden lange Monolog hochprozentiges Theater – Schauspiellust bis Oberkante Unterlippe: ein Abend zum mehrfach Anschauen.

Das gilt ebenso knapp zehn Jahre später für die Uraufführung von Charlotte Roos’ „In den Straßen keine Blumen“ auf der großen Bühne. Die Autorin hat für ihr Stück ein Best-of des Dramatikers Federico García Lorca (1898-1936) kompiliert. Im Fokus: die Frauenfiguren in den Texten des Spaniers und deren beschissene Lage. Mit leichter Hand und ohne Furcht vor großen Gesten hatte Pinar Karabulut das inszeniert; das Ensemble spielte mit Tempo, engagiert, hochmusikalisch. Ein kluger und unterhaltsamer Abend; doch schon bei der Premiere blieben Plätze frei. Das (Volks-)Theater war seiner Zeit voraus – Fragen nach Geschlechterrollen sollten erst später en vogue werden. MICHAEL SCHLEICHER

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