Respekt ja – Angst nein

von Redaktion

Tenor Jonas Kaufmann über sein Debüt als Tristan bei den Opernfestspielen

VON TOBIAS HELL

Eine Neuproduktion von „Tristan und Isolde“ ist an der Bayerischen Staatsoper immer ein Ereignis. Selbst hier, am Ort der Uraufführung, dürften die Erwartungen aber selten so hoch gewesen sein wie jetzt. Markiert der 29. Juni doch neben der letzten Opernpremiere von Ex-Generalmusikdirektor Kirill Petrenko auch das von Fans mit Spannung herbeigesehnte doppelte Rollendebüt von Jonas Kaufmann und Anja Harteros.

Dass die männliche Titelrolle für viele Tenöre nicht nur einen Höhepunkt symbolisiert, sondern auch Weichen für die Zukunft stellt, dessen ist sich Kaufmann sehr bewusst, der sich nach der überstandenen Orchesterhauptprobe gewohnt selbstbewusst gab: „Es ist auf jeden Fall eine Rolle, die eine Karriere unglaublich befeuern kann. Und wenn das stimmlich in erreichbare Nähe kommt, denkt man gerade als deutscher Tenor natürlich darüber nach. Trotzdem habe ich das lange vor mir hergeschoben, weil ich sehr wohl um die Risiken weiß. Noch nicht einmal vor drei Monaten hätte ich hundertprozentig sagen können, ob es wirklich funktionieren wird.“

Respekt ja, Angst nein. So könnte man Kaufmanns Einstellung vielleicht am besten umschreiben. „Ich glaube nicht an den Fluch der Partie. Natürlich braucht es da eine Stimme mit viel Saft, aber eben nicht nur. Es gibt auch viele zarte und lyrische Momente. Wenn man es nur mit Kraft angeht, kann ich mir schon vorstellen, dass es um andere Rollen danach nicht unbedingt besser bestellt ist. Da muss man seine Stimme einfach gut kennen.“ Für Kaufmann ist der Tristan ein Tanz auf Messers Schneide, bei dem man sich nie verleiten lassen darf, auch nur ein Quäntchen über das Ziel hinauszuschießen. „Bei fast allen Partien, die ich bisher gemacht habe, kann man schon mal dem Affen Zucker geben. Auch wenn es sich vielleicht später rächt und man nach der großen Arie dann etwas haushalten muss. Aber dafür gibt es beim Tristan einfach keine Zeit.“ Vor allem dann nicht, wenn das Werk – wie nun endlich wieder möglich – ungekürzt und mit voller Orchesterbesetzung über die Bühne geht. „Wenn man es wie eine Symphonie spielt, was wirklich sehr einladend ist, sind die Sänger auf verlorenem Posten. Aber da haben wir zum Glück den großartigen Kirill Petrenko, der das dem Orchester nimmermüde predigt und versucht, auch uns Platz zu lassen. Bis jetzt haben wir das glaube ich ganz gut gemeistert. Weshalb ich der Premiere eigentlich erstaunlich positiv entgegensehe.“

Optimistisch äußert sich Kaufmann ebenfalls über die Zusammenarbeit mit Regisseur Krzysztof Warlikowski. „Ich finde sein Konzept sehr gelungen. Gerade bei Wagner sehe ich oft den Fehler, dass dort, wo keine äußere Handlung ist, gern unendlich viele Nebenhandlungen hinzufügt werden, um der befürchteten Langweile des Publikums vorzubeugen. Womit man dann aber oft das Gegenteil erreicht. Bei uns findet alles sehr ruhig und konzentriert statt, was dem Stück meiner Meinung nach sehr guttut.“

Dass in der nächsten Spielzeit vorerst keine weiteren „Tristan und Isolde“-Vorstellungen im Kalender stehen, ist für Kaufmann ein Puffer, den er nach gewichtigen Debüts gerne einbaut. So war die Saison 2021/22 schon länger als Sabbatical geplant. Als kurze Auszeit mit Fokus auf Liederabenden, wie es jetzt auch rund um die Münchner Aufführungen einen geben wird. „Aber wenn es gut geht, werde ich den Tristan fast wieder machen müssen. Schon weil der Aufwand für nur fünf Vorstellungen doch sehr hoch wäre.“

Kaufmann glaubt nicht an den Fluch der Partie

Die nächste Saison plante der Tenor bewusst als Puffer

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