Tiefe Verbeugung vor allen

von Redaktion

Das Opernfestival Gut Immling feiert trotz Corona das 25-Jährige mit „Madama Butterfly“

VON TOBIAS HELL

Die berüchtigten drei Gs sind aktuell auch beim vorsichtigen Neustart des Opernfestivals auf Gut Immling in aller Munde. Hier allerdings eher in der von Intendant Ludwig Baumann umcodierten Variante: Glück, Gemeinschaft und Geborgenheit. Endlich wieder gemeinsam Musik zu erleben, dafür durften am Wochenende zumindest 200 glückliche Opernfans den Weg auf den Grünen Hügel des Chiemgaus antreten. Unter Sicherheitsvorgaben, an denen sich so manches Fußballstadion derzeit eine Scheibe abschneiden könnte. Musste bei der Premiere von „Madama Butterfly“ doch sogar der regelmäßig durchgetestete Chor noch mit FFP2-Masken auf der Bühne agieren und so quasi mit Schalldämpfer singen.

Allein dafür, dass hier allen widrigen Umständen getrotzt wurde und das 25-Jahre-Jubiläum des Festivals dadurch überhaupt erst gefeiert werden konnte, gebührt allen Beteiligten eine tiefe Verneigung. Da lässt sich auch großzügig ein Auge zudrücken, dass es bei der Eröffnungspremiere diesmal keine ambitionierten Regieexperimente gab. Intendant Ludwig Baumann, der in der Vergangenheit bereits eine exzellente „Bohème“ und eine bombastische „Turandot“ auf die Bühne gebracht hatte, zeigt bei seinem dritten Puccini eine traditionsbewusste eskapistische Opernwelt. So wie sie sich ein Großteil des Publikums wohl gerade in diesen Zeiten herbeisehnt.

In Immling darf das nicht gerade unproblematische Stück daher zumindest im ersten Akt noch ganz romantisches  Märchen  sein, für das Co-Ausstatterin Gretl Kautzsch das international zusammengewürfelte Ensemble in farbenfrohe Kimonos steckt, die auch dem Achtzigerjahre-TV-Epos „Shogun“ zur Ehre gereicht hätten. Das täuscht fast darüber hinweg, dass der US-amerikanische Offizier Pinkerton hier zusammen mit seinem Haus eben auch eine 15-jährige Katalogbraut ersteigert und die unsterbliche Liebe des Paares eine eher einseitige Angelegenheit ist. Leichtes Unbehagen stellt sich da erst zu den Schlusstakten des großen Duetts  ein,  als Pinkerton Cio-Cio-San die Kleider vom Leib reißt und das Licht gerade noch im rechten Moment erlischt.

Jenish Ysmanov, in Immling bereits ein guter Bekannter und echter Publikumsliebling, gibt den Pinkerton dabei rollendeckend mit einer ordentlichen Portion Macho-Attitüde: womit er im ersten Akt glänzt, in seiner kraftvoll angegangenen Arie „Addio fiorito asil“ aber die späte Einsicht über seine Taten nicht allzu glaubwürdig über die Rampe bringt.

Deutlich facettenreicher Yana Kleyn, die mit schlank geführtem Sopran glaubwürdig das unschuldige junge Mädchen verkörpert. Ebenso eindringlich gelingt ihr aber auch der Wandel zur liebenden Mutter, die für ihr Kind alles aufzugeben bereit ist; dramatisch im Ausdruck, ohne dabei die Stimme zu forcieren. Ihre großen Momente hat Yana Kleyn vor allem nach der Pause, nun westlich gewandet und mit nie versiegendem Optimismus einen amerikanischen Traum träumend, der für sie nicht in Erfüllung gehen wird. Wunderbar das behutsam gesteigerte „Un bel dì vedremo“ und das Duett mit ihrer Freundin Suzuki.

In der Rolle von Cio-Cio-Sans Vertrauter führt Ksenia Leonidova einen warm timbrierten Mezzo ins Feld, der sich ideal mit dem hellen Sopran ihrer Partnerin mischt. Die Russin lässt sich dabei aber ebenso wenig zur Stichwortgeberin reduzieren wie Ian Burns als Konsul Sharpless. Auch ihm gelingt es, mit kräftigem Bariton alles aus seiner undankbaren Partie herauszuholen.

Als sensible Begleiterin erweist sich einmal mehr Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock, die kleine Wackler zwischen Bühne und Graben im Nu korrigiert und das Geschehen stets souverän im Griff hat. Kerssenbrock steuert den eingefahrenen Klischees vom süßlich überladenen Puccini bewusst entgegen, pflegt ein transparentes opernschmalzfreies Klangbild und gibt der pathetisch tragischen Geschichte so eine menschliche Note zurück.

Weitere Vorstellungen

bis 22. August; Karten und Infos: www.immling.de.

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