Ein Kuss auf die Stirn, das muss zumindest bis zum Ende des zweiten Akts als sündigster Moment reichen. Anfassen gilt nicht bei der Premiere von „Tristan und Isolde“ gestern Abend im Rahmen der Münchner Opernfestspiele. Regisseur Krzysztof Warlikowski hat seine übliche Assoziationswut gezähmt, wiegt das aber kaum mit Figurenbeschäftigung und Charakterzeichnungen auf. Vereinsamte sollen sich in seiner Inszenierung begegnen. Unterm Strich driftet der Abend damit allerdings ins Halbkonzertante – eine Enttäuschung also.
Doch wegen der Regie waren die Wagnerfreunde ohnehin nicht ins Nationaltheater gepilgert. Stars bei ihren Rollendebüts galt es zu bestaunen, und die Erwartungen wurden großteils eingelöst. Jonas Kaufmann verlegte sich diesmal nicht aufs vokale Hantelstemmen: Die lyrischen Stellen in einer der mörderischsten Heldentenorrollen, dort also, wo die Kollegen gern tricksen, die glückten ihm am besten. Überhaupt erstaunlich, wie klug und besonnen er sich die Partie einteilte. Anja Harteros, äußerlich eine coole Business-Isolde, war ebenfalls im Zurückgenommenen, im feinen Sopranflorett eindrücklicher als im Dramatischen. Mit Kirill Petrenko stand ihnen ein kollegialer, stimmbeschützender Dirigent zur Seite: Ein derart verfeinerter „Tristan“ zwischen wunderzärtlichen Details und fast körperlich spürbarem Furor ward hier lange nicht erlebt. Eine ausführliche Kritik folgt in unserer morgigen Ausgabe.