Voller Tatendrang nach vorn. So lässt sich die Stimmung beim Tölzer Knabenchor momentan gut beschreiben. Es gibt nach der Pandemie-bedingten Zwangspause, die auch dieses Traditionsensemble hart getroffen hat, nun mit der Wiederaufnahme des Probenbetriebs endlich wieder Grund zum vorsichtigen Optimismus.
„Der Lockdown hat uns schon schwer getroffen. Vor allem, weil man uns im Gegensatz zu Österreich hier pauschal unter die Laienchöre eingestuft hat“, erzählt Geschäftsführerin Barbara Schmidt-Gaden. „Aber jetzt ist der Kalender wieder so voll, dass wir zu Jahresende gleich mit mehreren Besetzungen unterwegs sind.“
Zum Neustart herrscht auch hinter den Kulissen einiges an Bewegung, begrüßt man mit Dirigent Michael Hofstetter doch einen neuen Künstlerischen Leiter. Wobei erstmals in der 65-jährigen Geschichte des Chores damit Konzert- und Ausbildungsbereich getrennt werden. Als Spezialist für Alte Musik war der gebürtige Münchner ein absoluter Wunschkandidat für Schmidt-Gaden. Die großen Werke von Bach und Co. gehören seit Gründung zu den Kernkompetenzen der Tölzer.
Während der Dirigent das künstlerische Profil weiter schärfen soll, bleibt die Ausbildung in den bewährten Händen von Christian Fliegner, der sich ebenfalls auf die Zusammenarbeit freut. „Ich habe schon erlebt, wie Michael Hofstetter bei vergangenen Konzerten mit unserem Chor gearbeitet hat, und bin sehr froh, dass wir ihn jetzt bei uns haben.“
Der Neu-Einstieg nach dem Lockdown war für Fliegner nicht einfach. Es gab nämlich im Chor einige stimmbruchbedingte Wechsel. „Die ersten Proben sind überraschend gut gelaufen. Aber wenn die Kinder Spaß am Singen haben, entwickeln sie auch einen ungemeinen Ehrgeiz, weil sie sich auf das Konzert freuen und es auch schaffen wollen.“
Diese Freude am Singen steht auch für Hofstetter im Mittelpunkt, der immer wieder die gute Teamarbeit beschwört, die er bei seinen bisherigen Kooperationen mit den Tölzern stets erlebt habe – sei es bei diversen „Zauberflöten“ oder im Konzertsaal. Erste Erfahrungen als Kirchenmusiker und Chorleiter konnte Hofstetter in seiner Jugend am Ammersee sammeln. „Das war ein gemischter Chor mit Leuten von zehn bis 60 Jahren. Das hat das gesamte Spektrum unseres Dorfes abgebildet. Und das Schöne an dieser Erfahrung war, dass man mich dort sogar als Schüler voll akzeptiert hat. Und dieses Selbstvertrauen gibt man den Buben hier mit. Sie stehen ja schließlich Seite an Seite mit den berühmtesten Gesangsstars auf den größten Bühnen der Welt.“
Trotz der Aufgabenteilung ist sich der Dirigent seiner Verantwortung sehr bewusst und betrachtet seine neue Position keineswegs nur als Zweitjob neben internationalen Gastspielen oder seiner Funktion als Leiter der Gluck-Festspiele in Nürnberg. „Natürlich wird das künftig eine meiner Prioritäten sein.“ Wobei sich neue Möglichkeiten für Kooperation ergeben. Und dies nicht nur bei den Gluck-Festspielen, bei denen Hofstetter bei der geplanten Aufführungsserie von „Orfeo ed Euridice“ den Amor selbstverständlich mit einem Tölzer Knaben besetzen will. „Ich habe vor Kurzem bei einem Festival in Frankreich dirigiert, und als ich dort den Chor erwähnt habe, ist man gleich hellhörig geworden und hat gefragt, ob sich eventuell auch mal ein gemeinsames Projekt realisieren lässt.“
Wie lange er sich an den Chor binden will, darüber will der Dirigent vor Amtsantritt nicht spekulieren. Und auch Barbara Schmidt-Gaden beantwortet die Frage mit einem Augenzwinkern. Denn einen Vertrag gibt es im Moment angeblich noch keinen. „Wir haben nur einen Handschlag. Ganz altmodisch.“ Aber so harmonisch, wie sich das neue Leitungstrio im Gespräch gibt, steht einer langen fruchtbaren Zusammenarbeit hoffentlich nichts im Wege.