Keine Angst vor großen Gefühlen

von Redaktion

Erwin Schrotts umjubelter Festspiel-Liederabend im Münchner Prinzregententheater

VON GABRIELE LUSTER

Ein wenig kokett bemerkte Erwin Schrott in seiner locker-launigen Moderation des Festspielkonzertes im Prinzregententheater: „Ich bin ein Opernsänger.“ Hat daran überhaupt jemand gezweifelt? Jede Geste (aus dem alten Opern-Fundus), das ungebremste Mienenspiel und erst recht das Imponiergehabe seines prächtigen, dunkel grundierten Baritons verrieten am Sonntag auf der leeren Bühne, dass hier kein feinsinniger Liedsänger am Werk war.

Gleichwohl startete der aus Uruguay stammende Schrott mit hier unbekannten Liedern des argentinischen Komponisten Carlos Guastavino. Dessen Canciones atmen nicht den Aufbruchsgeist des 20. Jahrhunderts, sondern tönen eher romantisch-gefällig, nah an der Gefühligkeit. Doch davor scheut sich Erwin Schrott keineswegs. Er schmachtet ohne Scheu („Wie süß ist die Heckenkirsche“), flutet den Saal mit üppigen Schwelltönen („Die Rose und die Weide“), kann aber auch „Die Vögel“ hurtig davonfliegen lassen. Entsprechend begleitet vom Pianisten Giulio Zappa.

Selbiger steuert nicht nur Mini-„Zwischenspiele“ (einen Walzer von Tarenghi und Romanzen von Cilea und Rubinstein) bei, sondern lädt auch Iberts Chansons de Don Quichotte mit Intensität auf. Im Todeslied des Ritters von der traurigen Gestalt spannt Schrott weite Bögen und gönnt sich auch mal einen Schluchzer…

Schon bevor der Bariton mit der Arie des Procida aus Verdis „Les vêpres siciliennes“ in seine musikalischen Heimatgewässer eintaucht, setzt er in Verdis Lied „Non t’accostare all’urna“ bereits auf große Oper.

Landsmann Francesco Paolo Tosti ist mit seinen Canzonen da auch nicht weit. Schrott und Zappa legen sich mächtig ins Zeug, kosten die großen Gefühle und alle Schattierungen der „Tristezza“ aus und werden vom Publikum heftig bejubelt. Noch ein bisserl mehr, als Schrott in der Registerarie des Leporello dem Affen Zucker gibt und sich mit einem Tango verabschiedet.

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