Als triumphale Rückkehr war dieser 11. Mai 2021 gedacht. Endlich dirigierte Riccardo Muti wieder in der Scala, die er einst als Chef dominiert hatte. Als sich nach dem Konzert mit den Wiener Philharmonikern der jetzige Mailänder Boss Riccardo Chailly in die Schlange der Gratulanten einreihte, gab sich der ältere Kollege ahnungslos: „Wer ist das, was macht der hier?“, fragte Muti. Ein Scherz vielleicht. Oder doch Ausdruck eines Charakterzugs, der mit Selbstbewusstsein nur annähernd umschrieben ist. Riccardo Muti, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, ist der letzte Pultgigant sehr alter Schule.
Kein Tyrann wie Toscanini, aber doch einer, der nur wenige auf Augenhöhe duldet. Früher waren das Herbert von Karajan, der ihn nach Salzburg holte, und Carlos Kleiber, mit dem er befreundet war. Heute sitzt der gebürtige Neapolitaner und Chef des Chicago Symphony Orchestra in eigener Anschauung auf einem einsamen Thron. Wobei vieles ja berechtigt ist.
Vor allem bei Verdi macht Muti niemand etwas vor. Unbestechlich ist seine Werkkenntnis. Falsch verstandene Tradition widert ihn an. Dass er einst seinem Tenor im „Troubadour“ an der Scala das hohe C verbat, ist legendär – aber durch die Partitur gedeckt. Beinahe wäre Muti sogar an die Spitze des BR-Symphonieorchesters gekommen, bei dem er 1981 mit einem bis heute unerreichten Verdi-Requiem debütiert hatte. Eine Frauengeschichte, wie kolportiert wird, war schuld am Rückzug – dafür kam 2003 Mariss Jansons. Das „Orchester meines Lebens“ sind mittlerweile die Wiener Philharmoniker.
Seinen 80. Geburtstag feiert er mit ihnen nachträglich Mitte August: Bei den Salzburger Festspielen dirigiert der Maestro assoluto Beethovens Missa Solemnis. Dies übrigens erstmals – eigentlich kaum vorstellbar bei seinem breiten Repertoire. Selbstverständlich hat er sich auch Gedanken ums Ende gemacht. „Wenn mal Schluss ist, will ich in die Hölle“, pflegt Muti zu sagen. Sicher, weil dort die bessere Musik gemacht wird.