Tanz den Wagner

von Redaktion

„Tannhäuser“-Wiederaufnahme in Bayreuth

VON MARKUS THIEL

Was war das für ein Happening vor zwei Jahren. Als halb Bayreuth zum Park unterhalb des Festspielhauses strömte. Als dort Manni Laudenbach als kleinwüchsiger trommelnder Oskar im Schlauchboot über den Teich paddelte. Und als Elisabeths Hallen-Arie von Le Gateau Chocolat im Dragqueen-Bass geröhrt wurde. Letztere musste wegen des Quarantäne-Schlamassels daheim in England bleiben, Kyle Patrick ist immerhin ein (nur noch) tanzender, durchtrainierter, fast ebenso aufgekratzter Ersatz. Müdigkeit hängt über dieser Wiederaufnahme von Wagners „Tannhäuser“, was an einer Sache nichts ändert: Er ist trotzdem mit das Beste, was man dort derzeit erleben darf.

Vor allem Helden-Veteran Stephen Gould, der 2019 so selbstironisch durch den Abend tänzelte, hängt vokal und darstellerisch in den Seilen. Der dritte Akt dagegen wirkt wie nach einem dreifachen Espresso, vielleicht sollte man nicht am Vormittag desselben Tages noch einen Kinderopern-Tristan singen. Auch Dirigent Axel Kober kommt übers wackere Verbuchen ohne sonderlich einfallsreiche Linienzeichnungen nicht hinaus. Dass er sogar hinter Valery Gergievs Premierenergebnis zurückfällt, will etwas heißen.

Der Russe muss sich derweil Späßchen des Regisseurs gefallen lassen. Tobias Kratzer hat mit dem wunderbaren Video-Designer Manuel Braun neue Details implantiert. In der Bayreuther-Dirigentengalerie, durch die im zweiten Akt die Kamera fährt, hängt Gergievs Konterfei mit dem Zettel „Komme etwas später“. Und statt Christian Thielemann wird nun ein Bild mit dem schwulen Siegfried Wagner von der Dragqueen angeschmachtet.

Doch die Pointen sind’s ja nicht allein. Entscheidend ist, dass Kratzer ein augenzwinkerndes, aber eben auch sehr berührendes und liebenswürdiges Roadmovie über einen scheiternden Aussteiger aufrollt. Das spielt zwar in der Festspiel-Sphäre, weil die Mittelpunktsfigur ihr Bayreuther Engagement satthat. Doch eigentlich – einmal alles hinter sich lassen und neu beginnen – richtet sich diese Inszenierung an den Tannhäuser in uns allen.

Dass man seine Lieben damit auch tödlich verletzen kann, offenbart sich im Schlussakt. Der ist wieder so herzangreifend ausziseliert im Dreieck Tannhäuser-Elisabeth-Wolfram, dass manches Auge feucht wird. Funktionieren kann das nur mit großartigen Singdarstellern wie Markus Eiche (Wolfram) und Lise Davidsen (Elisabeth). Auch Ekaterina Gubanova macht sich gut als Pussy-Riot-Venus. Bei Günther Groissböck, der eben noch den Bayreuther Wotan hingeworfen hatte, spürt man die Übermotivation, einen Muster-Landgrafen hinzulegen. Als Kratzer samt Team erscheint, gibt es wenige Buhs. Ein Bravo-Orkan kämpft das nieder. Diesen „Tannhäuser“, so signalisiert das Publikum, lassen wir uns nicht vermiesen.

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