Mag sein, dass „Die Walküre“ die einzige vollwertige „Ring“-Oper in diesem Bayreuther Sommer ist (siehe oben). Ganz verzichten muss man dort aber auf den Rest der Tetralogie nicht. Rund um das Nitsch-Event sind auch den anderen Teilen Kunstaktionen gewidmet unter dem Motto „Diskurs Ring 20.21“.
Die „Rheingold“-Aktion, die Regisseur Nikolaus Habjan am Teich unterhalb des Festspielhauses beisteuert, ist eigentlich mehr Epilog statt Prolog. „Immer noch Loge“ beschäftigt sich mit den Nachwehen des Weltuntergangs, für den die Überlebenden der „Götterdämmerung“ den Feuergott selbst verantwortlich machen. Eine spannende Prämisse, aus der Paulus Hochgatterer mit groteskem Humor und einer stetig wachsenden Zahl an Wagner-Zitaten ein kurzweiliges Libretto geschustert hat, zu dem Gordon Kampe eine sehr individuelle Tonsprache glückte. Trotz Kammerbesetzung ergibt sich ein ebenso kompaktes wie vielschichtiges Klangbild.
Das Gesangstrio steht zunächst noch am Uferrand, während Habjan und Co. eine im Rollstuhl sitzende skurrile Erda-Puppe zum Leben erwecken oder als Rheintöchter im Wasser planschen. In die Fluten stürzt sich später aber unter anderem noch Daniela Köhler, die mit diesem selbstironischen Diven-Auftritt neugierig macht auf ihr Brünnhilden-Debüt im kommenden Sommer.
Einen weiteren Blick in die Zukunft bot ein interaktiver Drachenkampf vor dem Festspielhaus, gestaltet vom „Parsifal“-Regisseur für 2023, Jay Scheib. Mit der Aufforderung „Sei Siegfried“ schickt er einen per Computerbrille auf die Jagd durchs digitalisierte Festspielhaus, um dort eigenhändig den wilden Fafner zur Strecke zu bringen. Eine dreiminütige Heldenreise in 3D, an der die Kämpfenden mindestens ebenso viel Spaß haben wie jene, die sie beim ungelenken Herumhampeln beobachten. Angesichts dieses Adrenalinkicks ist es fast beruhigend, dass das Statement zur „Götterdämmerung“ kontemplativ ausfällt – in Form eines Kunstobjekts, zu dem die Japanerin Chiharu Shiota vom Schicksalsfaden der Nornen inspiriert wurde. Deren Frage, „Weißt Du, wie das wird?“, muss dann 2022 das „Ring“-Team um Valentin Schwarz (Regie) und Pietari Inkinen (Dirigent) beantworten. TOBIAS HELL