Mit Gefühl

von Redaktion

INTERVIEW Robin Wright plädiert in ihrem Regie-Debüt für Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit

Mit Filmen wie „Die Braut des Prinzen“ und „Forrest Gump“ gelang der Texanerin Robin Wright der Durchbruch in Hollywood. Im vergangenen Jahrzehnt machte sie vor allem als Hauptdarstellerin der Erfolgsserie „House of Cards“ Furore. Mit dem Drama „Abseits des Lebens“, das beim Münchner Filmfest seine Deutschlandpremiere feierte und morgen regulär in den Kinos anläuft, präsentiert die 55-Jährige nun ihre erste Spielfilm-Regiearbeit. Sie selbst verkörpert darin eine Frau, die sich nach einem Schicksalsschlag in die Einsamkeit der Wildnis zurückzieht.

Wann wurden Sie vom Regie-Fieber gepackt?

Schon früh. Die Schauspielerei ist ja eine ziemlich einsame Angelegenheit: Man probt allein vor dem Spiegel, wartet isoliert in seinem Wohnwagen ewig auf die Einsätze und führt dann im Prinzip fremde Anweisungen aus. Ich aber liebe Teamarbeit und habe stets die Regisseure beneidet, weil sie gemeinsam mit allen Crewmitgliedern den ganzen Film gestalten können. Jahrelang habe ich am Set sämtliche Leute mit technischen Fragen gelöchert – ich wollte alles ganz genau wissen. Schließlich durfte ich einige Folgen von „House of Cards“ inszenieren, und seitdem habe ich nach dem passenden Drehbuch für mein Kino-Regiedebüt gesucht.

Was hat Sie an „Abseits des Lebens“ gereizt?

Das Drehbuch kam zu mir in einer Zeit, in der es in den USA fast alle zwei Wochen einen Amoklauf gab. Ich musste damals viel weinen, weil mich die Frage quälte, wie die armen Überlebenden wohl den Verlust ihrer Liebsten verarbeiten könnten. Dieses wundervolle Drehbuch hat mir die Hoffnung und den Glauben an unsere Spezies zurückgegeben: Es zeigt, wie Edee, die trauernde Hauptfigur, dank der selbstlosen Güte eines Fremden namens Miguel zu neuem Leben erwacht. Ich glaube fest daran, dass Mitgefühl und Hilfsbereitschaft tief in uns Menschen verwurzelt sind. Diese humanistische Botschaft des Films war mir ein Herzensanliegen – als Gegengewicht zu den widerlichen Hass-Tweets, mit denen die Welt in den vergangenen vier Jahren malträtiert wurde.

Haben Sie selbst schon einmal so einen schmerzhaften Verlust erlitten wie Edee?

Nein, nichts, was auch nur annähernd damit vergleichbar wäre. Zum Glück hat mir jemand geholfen, zumindest halbwegs zu begreifen, was ein solches Trauma bedeutet: Demián Bichir, den viele Kinofans wohl aus Tarantinos „The Hateful 8“ kennen und der in unserem Film Miguel spielt. Nachdem ich ihm das Drehbuch geschickt hatte, rief er mich in kürzester Zeit zurück und sagte: „Ich muss unbedingt diesen Film machen. Das wird meine Therapie sein.“ Damals habe ich es nicht gewagt nachzubohren, aber es stellte sich heraus, dass seine Frau wenige Monate zuvor gestorben war. Er konnte also sehr gut nachvollziehen, was Edee in unserem Film durchleidet.

Edee bricht sämtliche Brücken hinter sich ab, wirft ihr Handy weg und flieht in eine abgelegene Hochgebirgsgegend…

Ja, und ich finde, diese Reaktion hat durch die Corona-Pandemie eine besondere Aktualität gewonnen: Mehr denn je sind wir abhängig von technischen Geräten, und es wäre sicher für viele von uns heilsam, sich zumindest zeitweise von Computern oder Smartphones zu befreien und stattdessen in die Natur einzutauchen. Ihre unglaubliche Schönheit ist wie eine Medizin – vorausgesetzt, man lässt sich wirklich auf sie ein.

Wie lange würden Sie denn in der Wildnis überleben? Könnten Sie sich überhaupt eine anständige Mahlzeit erjagen?

Nun, zumindest bin ich in der Natur aufgewachsen; schon als Kind habe ich oft gecampt – ich war es gewohnt, eine Zeit lang im Zelt zu übernachten und ohne Strom oder fließendes Wasser auszukommen. „Abseits des Lebens“ haben wir vollständig in der rauen, unbarmherzigen Wildnis der kanadischen Rocky Mountains gedreht. Für den Film haben Demián und ich gelernt, wie man professionell Fische fängt, Holz hackt, Wild häutet und ausweidet, Fleisch räuchert und so weiter. Dabei muss ich zugeben, dass ich schon beim Häuten kaum meinen Brechreiz unterdrücken konnte. Ich bezweifle auch sehr, dass ich tatsächlich dazu fähig wäre, Tiere zu töten. Also, ich denke, länger als eine Woche würde ich da draußen nicht überleben.

Was würden Sie dort am meisten vermissen?

Ganz klar: mexikanisches Essen! (Lacht.)

Das Gespräch führte Marco Schmidt.

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