Die Wölfe wollen es wissen

von Redaktion

Steve Berlin über das neue Album seiner Band Los Lobos und Ex-Präsident Trump

VON CHRISTOPH ULRICH

Das Telefon knackt fürchterlich, doch Steve Berlins Erregung ist trotzdem zu hören: „Ich kann es nicht erwarten, bis er vor Gericht gestellt wird.“ „Er“ ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump, von dem Berlin alles andere als ein Fan ist. Er ist auch ein Freund deutlicher Worte und findet mehrfach ein passendes Adjektiv für die Zeit, in der „Native Sons“ entstanden ist, das neue Album von Los Lobos.

„Furchterregend“ seien die Umstände in mehrerlei Hinsicht gewesen. Dabei hatte anfangs alles rosig ausgesehen. Los Lobos seien mit einem recht vollen Tourkalender Richtung Europa unterwegs gewesen, als die Plattenfirma New West Records auf die Gruppe zukam. „Nachdem wir eine ganze Weile keinen richtigen Plattenvertrag mehr gehabt haben, war das ziemlich großartig.“ Wegen der Tour tat man sich schwer, genug Zeit fürs Studio zu finden. „So kamen wir auf die Idee mit dem Coveralbum.“ Wann immer man drei, vier Tage frei gehabt habe, sei man ins Studio, um einen Song einzuspielen. „Unser Interesse war es aber nie, einfach nur irgendwelche Cover aufzunehmen.“ Man habe bewusst Lieder gewählt, die die Band beeinflusst haben oder die von Freunden geschrieben wurden, etwa die Rockabilly-Nummer „Flat Top Joint“ von den Blasters, denen Berlin in anfangs angehört hat.

Angefangen habe man mit der Buffalo-Springfield-Nummer „Bluebird“, der man das legendäre „For what it’s worth“ anhängte. Die Kombination beider Stücke reiht sich ein in eine Sammlung, die die künstlerische Diversität von Los Lobos abbildet. So mögen Jackson Brownes „Jamaica say You will“, Lalo Guerreros „Los Chucos Suaves“ oder Mario Paniaguas „Where Lovers go“ unterschiedlichen Zeiten und Genres entstammen – die Band interpretiert sie mit ihrer kantigen, rhythmusbetonten Art aber so, dass sie zusammenpassen. Sogar das süffige Sixties-Pop-Paradestück „Sail on Sailor“ der Beach Boys fügt sich gut in diesen wilden Mix.

Der Aufnahmeprozess hatte im Herbst 2019 begonnen und setzte sich im Frühjahr 2020 fort. Dann leerte zwar die Pandemie den Tourkalender, wegen der Beschränkungen konnte man aber weiterhin nur jeweils für ein paar Tage ins Studio gehen. „Los Angeles war wirklich heftig von Corona betroffen“, berichtet der in Portland lebende Musiker. „Immer, wenn ich nach L. A. geflogen bin, musste ich mich für eine Woche oder zehn Tage in Quarantäne begeben, bevor wir wieder für ein paar Tage ins Studio konnten.“ Man sei extrem vorsichtig gewesen. „Wir haben schnell kapiert, dass Covid-19 kein Scherz ist.“ Im Umfeld der Musiker habe die Krankheit sogar Todesopfer gefordert.

Herausfordernd sei der Entstehungsprozess von „Native Sons“ gewesen. „Zwischen Juli und Oktober konnten wir die Platte zusammenstellen und fertig machen“, sagt Berlin und atmet schwer aus. „Es ist definitiv nicht nur ein weiteres Album geworden, sondern ein ganz spezielles.“ In Feierlaune geriet die Band allerdings nicht – die Präsidentschaftswahl stand an. Die Umstände, unter denen sie ablief, erwiesen sich für Berlin und seine Kollegen ebenfalls als furchterregend.

Los Lobos:

„Native Sons“ (New West Records).

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