Ein Buch für einen entschleunigten Sommer: „Big Sky Country“ von Callan Wink. Der 36-jährige US-Autor wurde mit der unverlangt eingesandten Erzählung „Hund Lauf Mond“ im „New Yorker“ abgedruckt – und so schlagartig bekannt. Man versteht, warum. Wink hat eine auffallend entspannte Art des Erzählens (von Hannes Meyer in Ton und Tempo ideal ins Deutsche übertragen), die speziell diesem Debütroman bestens ansteht. Über die Sprache, ihre Bildkraft und ihren gemächlichen Rhythmus bekommt man ein Gefühl für die ländlich unhektische Lebensweise in Montana in den frühen 2000er-Jahren.
Dort hat der junge August einen Job auf einer Ranch angenommen. Aus eigenem Entschluss und entgegen dem Willen seiner Mutter, die Ehemann und Farm in Michigan hinter sich ließ, um zu studieren – und für den Sohn das gleiche Ziel hat. Winks „Großer Country-Himmel“, dies mal gleich vorweg, ist ein Entwicklungsroman, aber auf dem allgemeineren Hintergrund US-amerikanischer gesellschaftlicher Verhältnisse, die implizit Umbruch und Veränderung fordern.
Die Stille, die Arbeit, der Schweiß, die Zufriedenheit, das ist Augusts Leben auf der Ranch. Der Autor hat dabei eine Gabe, Weiden, Heu, Kühe, überhaupt Montanas noch Natur-wilde Landschaft lebendig werden zu lassen. Und wenn er herzhaftes Essen beschreibt, hat man Duft und Geschmack förmlich auf der eigenen Zunge.
Dieses sinnliche Erfassen von Leben, das ist die eine Seite seines Romans. Die andere ist die soziale und psychologische Ebene. Heißt: Augusts Erlebnis der Trennung seiner Eltern; seine ersten sexuellen Erfahrungen mit der Freundin seiner Mutter und sein zunächst selbstverständliches Annehmen und Mitlaufen in männlich bestimmten gewalttätigen Traditionen.
Als Bub tötet August die wild streunenden Katzen in der Scheune – gefühllos, rein wegen des versprochenen väterlichen Taschengelds. Als Heranwachsender macht er zwar nicht mit bei einer volltrunkenen Gruppenvergewaltigung eines Mädchens, an dem er sogar ein Interesse hat. Er schreitet aber auch nicht gegen seine Kumpel ein – offensichtlich dem noch vorherrschenden Klischee vom dominierenden männlichen Geschlecht verhaftet. Sein Unrechtsbewusstsein, seine Reue kommen dann bei der jungen Frau zu spät an.
Inzwischen haben seine zu einem freundschaftlichen Verhältnis gefundenen Eltern neue Lebenspartner. Und nach seiner durchaus fruchtbaren, dann doch schmerzlich endenden „Lehr- und Wanderzeit“ kommt August dem Wunsch der Mutter nach und beginnt ein Studium.
Wie gesagt: Ein Buch für den Urlaub am Balkon.
Callan Wink:
„Big Sky Country“. Aus dem amerikanischen Englisch von Hannes Meyer. Suhrkamp Verlag, Berlin, 379 Seiten; 23 Euro.