Eine Liebe wider alle Hindernisse, eine absolut ungewöhnliche Karriere als Künstlerin zur Goethezeit, ein königlicher Mäzen, Reisen durch Europa und dramatische Familienereignisse: Wenn das kein Stoff für einen Film ist! Das sehen die Mitarbeiterinnen um Chefin Karin Teufl im Garmisch-Partenkirchner Museum Aschenbrenner völlig zu Recht so. Auch der Titel der Ausstellung könnte direkt übernommen werden. Schwungvoll und doch gestochen scharf ist die Unterschrift der bildhübschen Dame, stets mit einem Rufzeichen versehen: „Electrine!“
Maria Electrine Freifrau von Freyberg (1797-1847) war – trotz allem – ein Glückskind. Der Vater, Johann Baptist Stuntz, war Landschaftsmaler und Kunsthändler und unterrichtete seine begabte Tochter in der eigenen Zeichenschule. Als die Familie 1808 von Straßburg nach München zog, ermöglichte das den Anschluss an die damals führende Kunstszene. Electrine gab bald ihr erstes lithografisches Werk heraus. Ihr Bruder studierte Kunst an der Akademie, starb jedoch 1812. Ein Jahr später schrieb sich die 16-Jährige an der Akademie ein; als zweite Frau überhaupt ebnete sie damit den Weg zur Anerkennung der Frauen. Mit zarten 17 finanzierte sie durch ihr Lithografie-Schaffen das Familienanwesen, die Gipsmühle in Thalkirchen.
Kein Wunder, dass der Vater große Hoffnungen in sie setzte und die Bekanntschaft mit dem königlich-bayerischen Stallmeister Wilhelm Freiherr von Freyberg 1818 argwöhnisch betrachtete. Erst fünf Jahre später konnte das verliebte Paar heiraten.
Zuvor reiste der Vater mit Electrine zum Pariser Louvre. Bei Senefelder vervollständigte sie dann ihre Litho-Kenntnisse. Danach ging es Schlag auf Schlag: Auftrag des Kronprinzen Ludwig, Kontakt zu Albrecht Adam, Peter Cornelius und Bertel Thorvaldsen. Und schließlich die Italienreise 1821/22, finanziert von König Max I. Joseph, auf der neben der Klassik auch die Nazarener auf dem Programm standen. Electrine wurde Ehrenmitglied der Akademie San Luca. Die italienische Reise sollte auch beim Bau der Villa Freyberg in Thalkirchen nachwirken.
Hier verbrachte Electrine eine glückliche Ehe, allerdings überschattet vom frühen Tod von drei der sieben Kinder. Hingebungsvolle Kinderbildnisse wurden in diesen Jahren neben den Landschaften und Porträtaufträgen ihre Favoriten: „Vom Kind an die Staffelei und von der Staffelei wieder zum Kind“, so beschrieb Electrine 1825 ihr Leben, das allerdings auch durch einen illustren Freundeskreis bereichert wurde.
Ab den 1830er-Jahren kamen viele Aufenthalte im Voralpenland dazu: Hier hat auch die Ausstellung im Aschenbrenner Museum ihren Ausgangspunkt. Denn in Garmisch-Partenkirchen gewann das Kurbad an der Kainzenquelle gerade an Renommee, dem Schwefelwasser wurde heilende Wirkung zugeschrieben. „Freyberg hat heute sein erstes Bad genommen, und ich zum ersten Mal die Gais-Molke getrunken“, berichtete Electrine von einem dieser Kuraufenthalte 1839.
Viele Landschaftszeichnungen belegen die Liebe zur oberbayerischen und Werdenfelser Umgebung. Neben perfektem Naturalismus und romantischer Schule verraten manche Bilder auch einen biedermeierlichen und spitzbübischen Spitzweg-Einfluss, ebenso aber einen Sinn für echten Realismus wie bei der ausgemergelten Bäuerin (1847). Dem werden die römisch-klassischen Studien und die frühen Lithografien gegenübergestellt, die den Kunstkritiker Ludwig Schorn 1829 zum Schwärmen im „Kunstblatt“ verführten: „Männlicher Verstand und zarte weibliche Empfindung vereinigen sich hier mit der Gediegenheit des Studiums und eminenter Ausführung.“
Neben der Kunst gilt das Augenmerk der Schau den Lebensumständen dieser außergewöhnlichen Familie: Vom Hochzeitskleid bis zum Geschirr wird in den Vitrinen und mit vielen Objekten und Briefen ein Sittenbild des 19. Jahrhunderts ausgebreitet. Von Electrines Bruder, dem (Opern-)Komponisten Hubert Hartmann Stuntz (1792-1859), stammt die akustische Zeitreise. Und nicht nur für die Garmisch-Partenkirchener ist der Blick zurück in die Geschichte des Kainzenbades samt aller erdenklicher Heilkur-Utensilien spannend: Zeigt er doch, wie der frühe (groß-)bürgerliche Tourismus aussah.
Bis 7. November,
Di.-So. 11-17 Uhr, Garmisch-Partenkirchen, Loisachstraße 44; Telefon 08821/730 31 05; www.museum-aschenbrenner.de.