Bei ihrem Kinodebüt an der Seite von Keira Knightley in „Stolz und Vorurteil“ galt Carey Mulligan noch als vielversprechende junge Frau. Inzwischen hat sich die Engländerin mit Hauptrollen in Filmen wie „Der große Gatsby“, „An Education“, „Drive“, „Shame“ oder „Suffragette“ längst in Hollywood etabliert. Im Thriller „Promising young Woman“ von Emerald Fennell, der am Donnerstag anläuft, verkörpert sie eine Femme fatale, die sich in Clubs als vermeintlich Sturzbesoffene abschleppen lässt, um übergriffigen Männern eine Lektion zu erteilen. Dafür bekam die 30-Jährige ihre zweite Oscar-Nominierung.
Ihre Filmografie verrät einen Hang zu düsteren Stoffen. Entspricht das Ihrem Naturell?
Nein. Aber als Schauspielerin suche ich stets nach neuen Herausforderungen. Deshalb fühle ich mich vor allem zu Figuren hingezogen, die ich nicht auf Anhieb verstehe. Mich reizt ein Filmprojekt nur, wenn es für mich riskant ist – und wenn ich Angst habe, es zu versauen.
Cassie, die Titelfigur in „Promising young Woman“, agiert wie ein Racheengel. Finden Sie nicht auch, dass der Pfad der Rache meist zu nichts Gutem führt?
Ja, definitiv. Rache ist schlecht. Letztlich zeigt das ja auch unser Film. Er wird zwar als feministischer Rache-Thriller vermarktet, aber ich finde, das greift zu kurz. Das Feministische an dem Film ist nicht die Ausübung der Rache, sondern die Tatsache, dass er ein ehrliches, authentisches, vielschichtiges Porträt einer Frau zeichnet – mit all ihren Macken und Fehlern. Im Grunde handelt sie gar nicht aus Rache, sondern aus Liebe und Loyalität zu ihrer besten Freundin, die zum Opfer eines Verbrechens wurde. Cassie konfrontiert Männer mit ihrem Fehlverhalten und bietet ihnen die Möglichkeit der Vergebung. Doch dazu müssten sie Reue zeigen und die Verantwortung für ihre Taten übernehmen, was leider so gut wie nie passiert.
Interessanterweise sind die Bösewichte im Film keine Kotzbrocken, sondern durchaus charmante Kerle, die sich selbst für Gentlemen halten.
Stimmt. Darum wurden diese Rollen allesamt mit schnuckeligen Sympathieträgern besetzt, die auch Helden einer Liebeskomödie sein könnten. Wenn man den Blick nur auf Monster à la Harvey Weinstein richtet, wird man dem Phänomen der toxischen Männlichkeit nicht gerecht. Die Fiesen in unserem Film glauben ernsthaft, gewisse Dinge wären akzeptabel, sobald Alkohol im Spiel ist. Diese Überzeugung wurzelt in der Kultur, mit der wir alle aufgewachsen sind: Unzählige Komödien haben uns suggeriert, es wäre lustig, wenn ein Typ sich über eine betrunkene Frau hermacht, weil er die Chance wittert, seine Unschuld zu verlieren. Es ist aber überhaupt nicht lustig. Und unser Film regt dazu an, diese Haltung zu überdenken.
Regisseurin Fennell, die für ihr Drehbuch den Oscar gewann, serviert diese Denkanstöße mit viel schwarzem Humor.
Ja, es war ihr sehr wichtig, einen möglichst unterhaltsamen, spannenden und optisch attraktiven Film zu drehen. Sie sagte, sie wollte keinen tristen Indie-Streifen abliefern, in dem eine verhärmte Frau in grauem Sweatshirt weinend aus einem regennassen Fenster starrt. Komik und Kostüme sind unsere Waffen, mit denen wir die Zuschauer dazu verführen wollen, sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen. Emerald Fennell vergleicht ihren Film mit einem in wunderschönes Papier eingewickelten Giftbonbon: Erst beim Lutschen merkt man, dass es vergiftet ist.
Haben Sie es genossen, mal Ihre komödiantische Seite zu zeigen?
Das fand ich sehr schwierig. Weil man mir sonst nie Komödienrollen anbietet, hatte ich im Gegensatz zu meinen Kollegen keine Ahnung, wie man etwa Pointen knochentrocken serviert, ohne in Gelächter auszubrechen; auch in puncto Improvisation fehlte mir jegliche Erfahrung. Komplexe emotionale Ausbrüche fallen mir relativ leicht, aber die Aufgabe, an der Seite dieser brillanten Komödianten witzig sein zu müssen, trieb mir den Angstschweiß auf die Stirn.
War die Arbeit dann tatsächlich so schlimm, wie Sie dachten?
Sie war sogar noch schlimmer. In einer Szene musste ich beispielsweise in einer Apotheke singen und tanzen – ausgerechnet zu Paris Hiltons Song „Stars are blind“! Ich hatte schon Probleme, mir den wirklich seltsamen Liedtext zu merken, und von meinen Tanzversuchen will ich gar nicht reden. Ich fand mich zum Fremdschämen peinlich. Das war der härteste Tag meiner bisherigen Karriere. Kein Witz! (Lacht.)
Das Gespräch führte Marco Schmidt.