Mit der Werkbezeichnung als „Légende dramatique“ hat sich Hector Berlioz einst geschickt aus der Affäre gezogen und die Frage bewusst offengelassen, ob seine „La damnation de Faust“ nun eher im Konzertsaal oder womöglich doch auf der Bühne besser aufgehoben ist. Und egal zu welchem Lager man sich bekennen mag: Angesichts der Bilderfluten, mit denen das Salzburger Festspielpublikum bei den diesjährigen Opernpremieren überwältigt wurde, wunderte es schon ein wenig, dass ausgerechnet bei diesem oft schon surrealistisch anmutenden Klanggemälde auf die Szenerie verzichtet wurde.
Der Fokus liegt also ganz auf Dirigent Alain Altinoglu, der am Pult der Wiener Philharmoniker um eine differenzierte Gestaltung der farbenreichen Partitur bemüht war und die großen heroischen Gesten, zu denen der Komponist ja durchaus einlädt, meist sparsam einsetzte. So tastete sich Altinoglu selbst an den berühmten ungarischen Marsch eher behutsam heran und ließ erst am Ende des heftig beklatschten Ohrwurms die Säbel ordentlich rasseln.
Ein in allen vier Teilen konsequent verfolgter Zugriff war das, der ebenso der pastoralen Osterszene oder dem „Menuet des follets“ gut zu Gesicht stand. Etwas mehr Biss hätte man lediglich der finalen Höllenfahrt gewünscht, die den Titelhelden leider allzu kontrolliert seiner Verdammnis entgegentrug. Auch der Kontrast zur kitschig verklärten Auferstehungsapotheose, die der Komponist seinem Gretchen gönnte, wurde dadurch leicht verwässert.
Dass Altinoglu sehr wohl auch zupacken kann, hatte vor der Pause etwa die skurrile Szene in Auerbachs Keller mit ihren polternden Trinkgelagen und einer wunderbar deplatziert wirkenden Fuge bewiesen – ebenso kraftvoll wie homogen intoniert von der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Souverän bestand in dieser kontrastreichen Episode aber auch Bass Peter Kellner, der sich mit seinem eloquenten Vortrag von Branders Lied nachdrücklich für größere Aufgaben empfahl. Erlesen die übrigen Namen der Solistenriege, angeführt von Charles Castronovo als Titelheld, der mit eingedunkeltem Tenor bereits in heldischere Gefilde zu streben scheint und dem lyrischen französischen Fach bald entwachsen sein dürfte – lagen ihm die großen Ausbrüche doch mehr als die filigranen Höhenflüge des ersten Teils.
Gerade deshalb harmonierte er hier bestens mit Elina Garančas mustergültiger Marguerite. Sie ließ ihren ausladenden Mezzo wunderbar weich in die Weiten des Großen Festspielhauses strömen und wusste dabei nicht nur virtuos mit Klangfarben zu spielen, sondern berührte ebenso mit ihrer überaus nuancierten Ausleuchtung des Textes. So unter anderem im grandios gestalteten „D’amour l’ardente flamme“, das von den harsch niedergezischten Garanča-Fans zu gerne mit verdientem Szenenapplaus bedacht worden wäre.
An der französischen Diktion noch etwas arbeiten darf dagegen Ildar Abdrazakov als Méphistophélès, der sich teilweise zu sehr auf sein beeindruckendes stimmliches Material verließ. Der Autorität dieses dämonischen Verführers tat dies jedoch keinen Abbruch und änderte nichts daran, dass auch Abdrazakov am Ende des Festspiel-Abends lautstark gefeiert wurde.