„Besiegt, verraten und verkauft.“ So beschreibt die französische Philosophin Catherine Clément in einem ihrer Bücher das Schicksal der Frau in der Oper. Eine These, der man mit Blick auf das Standardrepertoire tatsächlich schwer widersprechen kann. Und das, obwohl das Bedürfnis, diesen Klischees entgegenzuarbeiten und sie zu hinterfragen, fast so alt scheint wie das Genre selbst. Dies beweist nun unter anderem die Münchner Kammeroper, die sich für ihre Sommerproduktion der Oper „Talestri, Regina delle Amazzoni“ annimmt. Premiere ist am heutigen Donnerstag im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg.
Musik und Text dieses barocken Abenteuers stammen aus der Feder der 1724 geborenen Wittelsbacher-Prinzessin Maria Antonia Walpurgis Symphorosa (gestorben 1780), die das kompositorische Handwerk von Größen wie Nicola Porpora oder Johann Adolf Hasse erlernt hatte. Anders als viele griff sie keineswegs – wie damals durchaus gebräuchlich – auf ein bereits bestehendes und bewährtes Textbuch zurück. Stattdessen entwickelte sie für ihr zweites Bühnenwerk eine eigene Geschichte, die in den Augen von Regisseur Dominik Wilgenbus durchaus als politisches und feministisches Statement zu verstehen ist.
„Sie hatte eine sehr aktive Rolle bei Hof und nach dem Tod ihres Mannes Friedrich Christian Kurfürst von Sachsen auch selbst einige Jahre die Regierungsgeschäfte geleitet, bis ihr Sohn Friedrich August volljährig war“, berichtet Wilgenbus. „Also wundert es nicht, dass wir in ihrer Oper gleich drei zentrale Frauenfiguren haben, die deutlich facettenreicher gezeichnet und auch komponiert sind als die Männer.“ Und selbst, dass der klassische Konflikt zwischen Liebe und Pflicht von der weiblichen Protagonistin natürlich zugunsten der Liebe gelöst wird, empfindet der Regisseur keineswegs als so klischeebeladen, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. „Meiner Meinung nach hat die Prinzessin auch das sehr geschickt gemacht, weil diese Entscheidung im Stück eigentlich zu spät kommt. Das ist sehr clever um die Ecke gedacht, bevor es dann doch wieder das genretypische glückliche Ende gibt.“
Hieran anknüpfend hat Wilgenbus für die Kammeroper eine neue Fassung erstellt, bei der die Geschichte der Amazonenkönigin Talestri mit Ereignissen aus dem Leben von Maria Antonia verwoben wird. Wobei die Partitur von ursprünglich fünf Stunden Aufführungsdauer auf knapp die Hälfte komprimiert und für das Orchester der Kammeroper neu arrangiert wurde.
„Die Essenz bleibt aber auch in unserer gekürzten Fassung erhalten“, versichert die musikalische Leiterin Johanna Soller. „Dass wir kein historisches Instrumentarium haben, ist klar. Aber die Authentizität einer Aufführung liegt für mich vor allem in der Musizierweise.“ Spannend sind für die Dirigentin besonders jene Momente, in denen Text und Musik bewusst andere Wege gehen. „Da gibt es zum Beispiel eine Arie, in der die Oberpriesterin ihrer Königin schwere Vorwürfe macht, obwohl sie von ihrer Unschuld weiß. Das ist unglaublich vielschichtig komponiert.“ Und es seien neben spürbaren Einflüssen der Lehrmeister eben immer wieder sehr individuelle Züge herauszuhören.
„Maria Antonia ist stark der Opera seria verpflichtet“, sagt Johanna Soller. „Auch wenn der Fokus bei ihr weniger auf den großen Koloratur-Arien liegt, sondern eher auf der Entwicklung der Charaktere.“ Was sich zum Teil daraus erklären mag, dass die Arien nicht berühmten Gesangsstars der damaligen Zeit auf den Leib geschneidert wurden, sondern die Prinzessin bei Aufführungen auf Schloss Nymphenburg und später in Dresden sogar selbst die Titelrolle verkörperte. „Es ist eine schlichte, aber gleichzeitig sehr ehrliche und gut gemachte Musik, die ihren Zeitgenossen in nichts nachsteht“, meint die Dirigentin. „Und natürlich gibt es auch bei uns in den Da-capo-Arien viele wunderschöne Kadenzen, in denen die Sängerinnen zeigen dürfen, was sie können.“
Premiere
am heutigen Donnerstag,
Aufführungen bis zum 19. September, Informationen und Karten im Internet unter
www.kammeroper- muenchen.com.