Das Foyer des Münchner Lustspielhauses riecht nach verlassenem Theater, die Garderobe ist verwaist, und vor den Glastüren, dort wo das Publikum sonst nervös nach Plätzen Ausschau hält, herrscht Leere. Im Theatersaal aber rege Betriebsamkeit. Gleich am Eingang sitzt Birgit Cambeis und näht wie besessen. Michael Altinger durchwühlt Bühnenkostüme, Gabi Rothmüller und Nicola Altinger studieren Manuskripte, während auf der Bühne Constanze Lindner und Alexander Liegl Maschinenpistolen reparieren. Ein wenig hektisch ist das, aber es sind ja auch die letzten Proben für „Ratatata! Die wirklich wahre Geschichte von Bonnie und Clyde“ – ein Stück irgendwo zwischen Boulevard-Theater, Kabarett und Musical.
Das legendäre Gangsterpärchen machte sich in den 1930er-Jahren in den USA mit Überfällen auf Geschäfte und Banken einen Namen, hinterließ auch einige Leichen und starb schließlich in einem Kugelhagel der Polizei. So die offizielle Geschichte. Altinger, Liegl und Lindner wissen es besser: Alles nur Fake, zumindest das mit dem Tod. Eine reine Inszenierung, um ein neues Leben zu beginnen. Mit neuen Identitäten versehen, backen Bonnie und Clyde nun kleinere Brötchen, entführen Hunde oder praktizieren den Enkeltrick. Darüber ist Clyde ein wenig verbittert, aber schließlich ist es er, der kein Blut mehr sehen kann, während Bonnie…
Vor allem Michael Altinger war von der Idee begeistert. „Das war unbedingt mein Wunsch“, sagt er. „Ich wollte einfach, dass es knallt. Da gibt es Verfolgungsgeschichten, Hoffnungen, Zusammenbrüche.“ Alexander Liegl ergänzt: „Wir hatten eine Liste mit Paaren gemacht von Pat und Patachon bis zur Familie Duck. Bei Bonnie und Clyde, hat der Michael dann gleich Stopp gesagt.“ Altinger fand auch die Vorstellung spannend, was aus Paaren geworden wäre, wenn sie nicht tot wären.
Und so wohnt das Gangsterpaar zur Miete in einem Haus, in dem es von seltsamen Nachbarn und Untermietern nur so wimmelt, von der lustvollen Physiodame Mobarsky bis zum texanischen Reporter Ernst Woodward. Alle diese Rollen spielen Constanze Lindner, Michael Altinger und Alexander Liegl selbst in der Regie von Gabi Rothmüller und der assistierenden Nicola Altinger. Sobald sie eine der drei Bühnentüren nach hinten durchschreiten, heißt es also: schnell umziehen. „Das sind insgesamt 17 Figuren“, sagt Michael Altinger. „Das ist dann schon abenteuerlich, wenn der erste Gedanke lautet: Wer ist der Nächste? Wir werden kleine Spickzettel aufhängen.“
Obwohl manches laut Liegl auch automatisch funktioniert: „Sobald ich den Cowboyhut trage und das Mikro des texanischen Reporters in der Hand halte, spreche ich automatisch langsamer.“ Einige der Rollen sind ihnen auch bereits ans Herz gewachsen. Constanze Lindner meint: „Als Bonnie, die ihren Mann ganz schön unter dem Pantoffel hat, kann ich endlich mal den dicken Macker machen. Hinter der Bühne bin ich aber wieder ganz brav.“
Michael Altinger, der den Clyde spielt, mag allerdings am liebsten seine Rolle als Banker: „Der will immer Geld eintreiben, ist völlig korrupt und möchte Bonnie und Clyde erpressen. Eine sehr dankbare Rolle, ein richtiges Geldmonster. Davon gibt es eigentlich sogar drei, die aber alle gleich aussehen.“ Und bei Alexander Liegl hängt es von der Tagesform ab: „Der Untermieter, der ein Doppelleben führt, oder der Etagenkellner in Las Vegas. Vor dem habe ich selbst ein wenig Angst.“
Alexander Liegl und Gabi Rothmüller haben schon manches Boulevard-Stück verantwortet. Beim „Siegfried“ waren sie dabei oder beim „Nackten Wahnsinn“. Da gab es auch schon einmal neun Leute auf der Bühne. „Ratatata!“ ist hingegen überschaubar. Das Team übernimmt alles selbst. Nur die Lieder komponierte das bewährte „Siegfried“-Gespann Andreas Rother und Stefan Auer. Ein Lied stammt auch von Altinger. Selbst das Bühnenbild bastelten die Kabarettisten, Constanze Lindner fertigte etwa in ihrem Garten mit ihrem Mann eine eingehüllte Leiche an.
Letztlich ist es ein Projekt unter Freunden. „Es ist auf jeden Fall ein Fest“, freut sich Lindner, „ weil wir schon lange geliebäugelt haben, etwas zusammen zu machen. Wir haben auch immer wieder zusammengearbeitet, aber noch nie in dieser Konstellation.“ Im Oktober 2020 ging es los mit den Planungen. „Die Uridee“, erklärt Gabi Rothmüller, „war es, die Premiere jetzt im August im Lustspielhaus zu feiern und dann drei bis vier Wochen im Haus durchzuspielen. Das Stück ist also eigentlich für drinnen konzipiert.“
Stattdessen ist die Premiere nun am kommenden Montag unter freiem Himmel im Schlosspark der Katholischen Akademie an der Mandlstraße. Danach gastiert die Truppe vom 5. bis zum 12. September im Garten der Seidlvilla. Die Bühne ist also hoffentlich Open-Air-tauglich. „Na ja“, scherzt Altinger. „Wenn der Wind so richtig reinbläst, wackeln die Wände vielleicht ein wenig. Dann müssen wir sie halt beim Spielen festhalten.“
Premiere
am 30. August im Park der Katholischen Akademie an der Mandlstraße;
weitere Vorstellungen vom 5. bis 12 September im Garten der Seidlvilla;
www.muenchenticket.de.