Das haben nicht einmal die Beatles hinbekommen. Die Fab Four haben zwar 1995 und 1996 mit „Free as a Bird“ und „Real Love“ zwei alte Songs fertiggestellt und als „neue“ Singles veröffentlicht. Aber der Traum von der Wiedervereinigung der Beatles war 1980 mit dem Tod von John Lennon ausgeträumt. Doch Abba schaffen nun das Pop-Wunder und das größte Comeback der jüngeren Musikgeschichte. 39 Jahre nach ihrer Trennung bringen Agnetha Fältskog (71), Björn Ulvaeus (76), Benny Andersson (74) und Anni-Frid Lyngstad (75) am 5. November ihr neuntes Studio-Album „Voyage“ heraus (wir berichteten). Am 27. Mai 2022 wird in London die gleichnamige Show starten, in der das Quartett als digitale Abbatare zu bestaunen ist. Alte Schweden, was für eine Sensation! Im Interview verraten Björn und Benny, wie es zu dieser Rückkehr kam.
Am Anfang die wichtigste Frage: Warum gerade jetzt? Was ist passiert, das Sie wieder zusammengebracht hat?
Björn: Man hat uns vor vier, fünf Jahren vorgeschlagen, dass wir als Hologramme auf Tour gehen könnten. Wir haben dann aber schnell festgestellt, dass das nicht gut aussehen würde, weil solche Hologramme eine relativ alte Technik sind. Aber so ist die Idee mit den digitalen Doppelgängern entstanden.
Wie funktionieren diese Abbatare, die Sie erschaffen haben?
Benny: Da sind mindestens 100 Leute von London nach Stockholm gereist, um uns fünf Wochen lang dabei zu filmen, wie wir alle Songs für die Show live gespielt haben. Björn: Wir waren mit Sensoren ausgerüstet und verkabelt, das hat ausgesehen wie im Hauptquartier der Nasa. So sind wir zu viert auf der Bühne gestanden, haben unsere Hits gespielt und in diesen Verkleidungen sehr albern ausgesehen. Benny: In den Figuren steckt so viel Persönlichkeit von uns. Jede Bewegung, jede Emotion ist perfekt. In „Voyage“ stehen nicht unsere Doppelgänger auf der Bühne. Das sind wir selbst, im Jahr 1979.
Wie ist es dann zu einem komplett neuen Album gekommen?
Benny: Wir hatten die zwei neuen Songs. Und dann waren wir alle der Meinung, dass dies so viel Spaß gemacht hat und wir noch ein paar Stücke mehr aufnehmen sollten. Es war großartig, wieder zu viert im Studio zu sein und zu erleben, wie Agnetha und Frida richtig loslegen. Sie singen immer noch so fantastisch. Es hat sich angefühlt, als wäre seit 1982 überhaupt keine Zeit vergangen. Björn: Im Studio waren wir sofort wieder Abba, und es hat sich nach Abba angehört. Wir sind auf diese zehn Songs so stolz wie auf unsere großen Hits in den Siebzigern und Achtzigern. Und wenn wir selbst nicht daran geglaubt hätten, dass es tolle Lieder sind, hätten wir sie nie veröffentlicht.
Was können Sie über das Album verraten?
Benny: Es ist eine Mischung aus vielen Musikstilen, wie man das auch von den alten Abba-Alben kennt. Wir haben mit „Little Things“ sogar ein kleines Weihnachtslied drauf. Und wir haben es so gut gemacht, wie wir konnten… Björn: …in unserem Alter. Ich glaube, die Platte hat viel Tiefe, musikalisch und textlich. Ich hoffe, die Fans hören das. Wobei wir heutzutage nicht mehr auf die Charts schauen. Wir versuchen einfach, die bestmöglichen Songs zu schreiben – und sie so gut aufzunehmen, wie wir nur können. Benny: Wir können uns ja gar nicht mit aktuellen Stars wie Drake vergleichen. Von deren Musik habe ich keine Ahnung. Und ich weiß nicht, welche Zutaten es heutzutage braucht, um einen Hit zu haben.
Das Gespräch führte Jörg Heinrich.