Die Künstlerin Hito Steyerl lehnt eine Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz vorerst ab. Das kündigte sie in einem Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an, den die Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlicht hat. Sie kritisiert darin, wie die Politik während der Pandemie mit der Kultur und dem Bildungswesen umgegangen sei. „In den letzten 18 Monaten hat sich erwiesen, dass die Bereiche Bildung und Kultur in der Krise am wenigsten zählen“, schreibt die 55-Jährige.
Sie sei keine Lockdown-Gegnerin und könne sich nicht weit genug von Schwurblern distanzieren. „Ich habe anders als einige meiner Kollegen gar nichts dagegen, zum solidarischen Schutz meiner Mitmenschen beizutragen.“ Ein halbgarer, „dafür aber endloser Lockdown“ habe es jedoch einem Teil der Bevölkerung ermöglicht, fast ohne Einschränkungen durch die Pandemie zu kommen, während anderen auf Dauer die Lebensgrundlagen entzogen worden seien. „Als Hochschullehrerin konnte ich fast drei Semester lang keine Studierenden treffen“, berichtet Steyerl. Es wäre aber kein Problem für sie als Regisseurin gewesen, Werbespots und anderes zu drehen. „Wie wird hier Systemrelevanz definiert? Ganz zu schweigen von Kultur?“
Steyerl sollte Anfang Oktober mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet werden. Dieses Mal werden vor dem Tag der Deutschen Einheit mehrere Künstlerinnen und Künstler geehrt, die sich während der Pandemie engagiert haben. Steyerls Entscheidung werde respektiert und gleichermaßen bedauert, sagte eine Sprecherin des Bundespräsidenten.
Die Künstlerin schlug in ihrem Schreiben einiges vor, wie man Kultur und Bildung unterstützen könnte – etwa indem man die soziale Sicherheit für Kulturschaffende, den Kampf gegen Diskriminierung und damit die Chancengleichheit verbessere. Vor allem aber auch, indem man „den gesellschaftlichen Verständigungsprozess der Kontrolle digitaler Monopolisten wie Facebook“ entziehe. Außerdem helfen laut Steyerl Verlautbarungen mit „Fremdschäm-Parolen“ wie „Kultur ist Lebenselixier für alle“ nicht weiter. dpa